Nach der Pandemie hiess es für Mädchen und Jungen aus der Gemeinde Sincé in Norden Kolumbiens: Zurück in die Schule – wenn bloss der Weg dahin nicht so schwer wäre. Genau hier setzt dieses SWISSAID-Projekt an: Mit neuen pädagogischen Methoden soll das emotionale und psychosoziale Wohlbefinden der verunsicherten Jugendlichen wieder gestärkt werden. Sensibilisierungsmassnahmen sollen Gewaltsituationen verhindern und kreative Lernmethoden unterstützen die Jugendlichen dabei, die Freude am Lernen wiederzufinden.
Die Fakten
Die Ziele
- Rückkehr der Schülerinnen und Schüler von Sincé in die Schule
- Verbesserung ihrer Lernkompetenzen und -fähigkeiten
- Stärkung ihrer persönlichen Entwicklung und Verbesserung ihres Wohlbefindens
Das Projekt wird finanziell unterstützt von der DEZA.
Die Analphabetenrate ist hoch in der Kolumbiens. Es ist eine arme Region, Ungerechtigkeit und Ungleichheit sind an der Tagesordnung. Ökonomische Ressourcen wie Land sind ungleich verteilt, Frauen und Jugendliche werden diskriminiert und die politische Mitbestimmung ist für die breite Bevölkerung nur beschränkt möglich.
Die Suche nach Einnahmen, um das Überlegen der Familie zu sichern, prägen den Alltag der Menschen. Ein zeitgemässes Bildungssystem und das kindliche Wohlbefinden stehen nicht zuoberst auf der Prioritätenliste; in einem entsprechend schlechten Zustand zeigt sich die Schulinfrastruktur. Leidtragende sind die Schüler:innen.
Sincé hat 35’022 Einwohner und liegt im Departement Sucre, eines der ärmsten in ganz Kolumbien. Über 40 Prozent der Menschen leben in Armut, beinahe 10 Prozent in extremer Armut. Auch der Index für menschliche Entwicklung (HDI) ist in Sucre mit 0.752 auf einem sehr tiefen Niveau. Neben der wirtschaftlichen Unsicherheit können die Menschen ihre Rechte nur schwer durchsetzen; politische Mitbestimmung bleibt zudem oft nur Wunschdenken.
Drastische Folgen für Kinder und Jugendliche
Seit der Covid-Pandemie hat sich die Situation im Bildungssektor zusätzlich verschärft. Die präventive Schliessung der Schulen und die Umstellung auf virtuelle Unterrichtsformen hatten negative Auswirkungen. Erst recht in einer Region, wo nur wenige Haushalte über einen Internetanschluss verfügen. Dies traf insbesondere Menschen aus Familien in schwer zugänglichen Gebieten.
Auch die Lehrer standen vor Schwierigkeiten: Wie können sie virtuell unterrichten, wenn die Ausstattung rudimentär und eine Internetverbindung oft nicht vorhanden ist? Als Notlösung wurde den Schülerinnen und Schülern vorbereitete Studienhefte nach Hause geschickt, die sie bearbeiten mussten.
Die Folge: noch mehr Schulabbrüche und Lernschwierigkeiten unter den Jugendlichen. Besonders schwer traf es Schüler:innen, die sich während der Pandemie im Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe befanden. Sie fielen zwischen Stuhl und Bank. Durch die Lockdowns und die ökonomische und soziale Stresssituation waren die Kinder und Jugendlichen zudem einem erhöhten Risiko an psychischer sowie physischer Gewalt innerhalb der Familie ausgesetzt.
Die Freude am Lernen wiederfinden
Hier setzt das SWISSAID-Projekt an: Für Schüler:innen der siebten Klasse werden Workshops in Mathematik, Kunst, Literatur und für die Stärkung des Selbstvertrauens angeboten. Der Stoff wird jeweils alternierend auf eine forschende oder bildnerische Weise vermittelt. Dabei wird stets darauf geachtet, dass der Inhalt mit ihrem täglichen Umfeld zu tun hat.
Weiter erhalten die Schüler:innen psychologische Unterstützung. Sensibilisierungskampagnen wirken zudem Gewaltsituationen entgegen. Angeboten werden die Workshops dabei von Jugendlichen, die von pädagogisch und psychosozial ausgebildeten Fachleute instruiert und begleitet werden. Die Jugendlichen erhalten dadurch wichtige Kompetenzen und können einen Beitrag für die Gemeinschaft leisten, was ihre soziale Anerkennung und Integration fördert.
«Es ist ein grosses Glück, dass mein Sohn die Möglichkeit hatte, an diesem Projekt teilzunehmen. Es hat ihm ermöglicht, sein Talent in Kunst und Literatur zu entfalten. Er hat seine Angst verloren und es fällt ihm nun leichter, im Team zu arbeiten.»
Die stolze Mutter Cindy Meléndez mit ihrem Sohn.
Die pädagogische Idee dahinter: ein emotionales und psychosoziales Wohlbefinden erzeugen, das es den Kindern erleichtert, die Freude am Lernen wiederzufinden. Vor allem der künstlerische Ansatz scheint den Kindern Halt und Orientierung zu geben.
«Kunst ist ein pädagogisches Hilfsmittel, durch das Kinder ihr Umfeld untersuchen und verstehen lernen. Diese Erfahrungen können sie in einem zweiten Schritt anhand künstlerischer Ausdrucksformen weitergeben.»
Vladimir Hernández Botina, Koordinator vor Ort
In den Workshops wird neben alternativen Lehrformen auch die Individualität der Kinder grossgeschrieben. So wird auf die eigenen Fähigkeiten und Bedürfnisse eingegangen und die individuelle Lerngeschwindigkeit berücksichtig, da die Schüler:innen aufgrund der Pandemie unterschiedliche Bildungsstände zeigen.
«Die Teilnahme an diesem Projekt hat mir geholfen, meine Schüchternheit zu überwinden. Mir hat es sehr gefallen, über die Mythen und Legenden unserer Gemeinde zu forschen und diese Ergebnisse in Form eines Theaterstücks wiederzugeben.»
Die Schülerin Wendy Araujo Pérez
Ihre Spende ermöglicht Bildung und Chancengleichheit
Für eine längerfristige Verbesserung des Bildungssystems
Die geschulten Pädagogen legen das Augenmerk auf projektbasiertes und partizipatives Lernen. Was zuversichtlich stimmt: Der gewählte pädagogische Ansatz in den Workshops trägt bereits erste Früchte. Das allgemeine Engagement und Interesse der Schüler:innen am täglichen Schulunterricht ist gestiegen.
Für eine längerfristige Verbesserung des Bildungssystems braucht es hingegen noch mehr. Es ist zentral, dass die erarbeiteten Methoden aus den Workshops ins allgemeine Bildungswesen einfliessen. Inhalte aus den Workshops sollen künftig von anderen Schulen übernommen werden. Dadurch wird eine Kontinuität der Methodik gewährleistet und das Bildungssystem nachhaltig aufgewertet.
Wichtig ist die Rückkehr aller Schüler:innen zur Schule, mit besonderem Augenmerk auf marginalisierte Kinder. Alle sollen ein Anrecht auf eine gute Bildung haben. Sie ist der Grundstein auf dem Weg aus der Armut und führt zu mehr Selbstbestimmung. Ein Schulabschluss bedeutet ein sicheres Einkommen, verbessert die Ernährungssicherheit und lässt uns der Vision einer Welt ohne Hunger einen Schritt näherkommen.