IN Gender Frauen
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Gleichstellung in Indien

Mit neuen Denkmustern gegen Gewalt und Diskriminierung

Durch gezielte Aktionen werden in der Region Marathwada Jugendliche, Erwachsene sowie staatliche Akteure gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung sensibilisiert. Durch einen ganzheitlichen Ansatz soll aus dem Traum von einem gewaltfreien Leben für möglichst viele Mädchen und Frauen endlich Realität werden.

Die Fakten

Land, Region:
Marathwada, Indien
Dauer:
März 2023 - Februar 2026
Begünstigte:
34'560
Gesamtprojektbudget:
1'657'186 CHF

Die Ziele

In Indien zeigt sich die extreme Ungleichheit der Geschlechter in einem hohen Mass an Gewalt gegen Frauen, häusliche Gewalt ist an der Tagesordnung. Viele Frauen sind bei der Heirat unter 18 Jahre alt. Deshalb konzentriert sich dieses Projekt auf die Prävention von häuslicher Gewalt und das Ende von Kinderehen. SWISSAID und die Partnerorganisationen vor Ort arbeiten dabei mit staatlichen Akteuren zusammen, um die gesamte Gesellschaft zu mobilisieren und so einen nachhaltigen Wandel zu ermöglichen. Für eine Zukunft, in der Frauen weniger Gewalt und mehr Selbstbestimmung erfahren.

Dieses Projekt wird von der Europäischen Union mitfinanziert.

Die Region Marathwada im Bundesstaat Maharashtra ist wenig entwickelt. 30 Prozent der Familien leben unter der Armutsgrenze. Das Bildungsniveau ist tief und Mangelernährung weit verbreitet. Vermehrte Trockenheit stellt die 20 Millionen Menschen, die in der Region Marathwada in Zentralindien leben, vor weitere Herausforderungen. Suizide unter Landwirten sind keine Seltenheit; viele Leute wandern ab und versuchen ihr Glück in einem anderen Bundesstaat.

Patriarchale Strukturen

Vor diesem Hintergrund herrschen viele patriarchale Strukturen vor. «Indische Mädchen sollen früh verheiratet werden, um sexuelle Verwirrung zu vermeiden.» Dieser Meinung sind laut einer Studie 67 Prozent der indischen Männer in Marathwada. Dabei ist es gerade die Kinderheirat, die für die Mädchen ein Leben ohne Rechte und Bildung beschliesst.

Viele Mädchen werden vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. In den meisten Fällen wird eine Mitgift bezahlt.

Oft gehen frühe Schwangerschaften einher, die für die Mädchen eine grosse psychische sowie physische Belastung sind. Gemäss einer Studie werden in der Region Marathwada beinahe die Hälfte der Frauen als minderjährige Mädchen verheiratet (befragt wurden junge Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren).

Ein weiteres Problem ist die häusliche Gewalt. Rund 42 Prozent der Befragten glauben, dass Gewalt des Ehemannes gegenüber seiner Frau unter bestimmten Umständen gerechtfertigt ist und die Frau es zum Wohl der Familie tolerieren sollte. In Indien ist häusliche Gewalt an der Tagesordnung. Die Opfer erhalten von ihren Familien, von Gemeinden und der Regierung wenig bis gar keine Hilfe.

Frauen werden oft Opfer diverser Formen von Gewalt.
Frauen werden oft Opfer diverser Formen von Gewalt.

Deshalb unterstützt SWISSAID gemeinsam mit Partnerorganisationen vor Ort Frauen darin, sich ein gewaltfreies Leben aufzubauen. Mit Präventionsmassnahmen sollen nicht nur Mädchen und Frauen, sondern auch Jungen und Männer für das Thema sensibilisiert werden. Sneha Giridhari von SWISSAID Indien konnte sich vor Ort von der Wirksamkeit der Präventionsmassnahmen überzeugen. Wichtig für grundlegende Veränderungen sei, gerade auch mit jungen Menschen zu arbeiten, sagt sie.

Gleichaltrige als Vorbilder

Doch wie erreicht man junge Menschen am besten? SWISSAID setzt in über 100 Dörfern der Region Marathwada unter anderem auf sogenannte «Peer Educators» aus bestehenden Jungen- und Mädchengruppen. Aus jeder Gruppe werden einige motivierte und sozial kompetente Jugendliche in Genderfragen geschult.

An den monatlichen Treffen der Jugendgruppen stellen sie verschiedene Themen zur Diskussion. Zum Beispiel: Was ist männlich? Was ist weiblich? Was bedeutet Gewalt für das Opfer? Was für den Täter? Welche Folgen hat eine Kinderheirat für die Betroffenen? Mit Liedern, Diskussionen, Plakaten und Rollenspielen werden die Themen spielerisch aufgearbeitet. Neben den monatlichen Treffen gibt es zudem die Möglichkeit sich beraten zu lassen.

Frauen-Patenschaft

Frauen sind sie besonders häufig von Hunger, Armut und Gewalt betroffen. Mit einer Frauen-Patenschaft stärken Sie die Frauen in unseren Projekten in Afrika, Asien und Lateinamerika.

Ganzheitlicher Wandel

Bei den Jungen muss man anfangen – bei den Alten aufhören. Mit öffentlichen Aktionen wie Kundgebungen, Videoclips oder Plakataktionen sollen Botschaften zur Gleichberechtigung der Geschlechter möglichst breit gestreut werden.

Neben den gesellschaftlichen Ansätzen darf man die staatlichen Akteure nicht ausser Acht lassen. Sie müssen sich über ihre Funktion im Klaren sein und falls nötig aktiv Unterstützung anbieten. Seien es juristische Dienstleistungen oder staatliche Beratungsbüros: Ziel ist, dass Kinderheirat und Gewalt an Frauen ernst genommen werden. Deshalb werden auch Vertretende von Institutionen sensibilisiert.

Durch diesen breiten Ansatz unterstützt SWISSAID Massnahmen, die einen gesamtgesellschaftlichen Wandel anstossen sollen. Damit geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung in Marathwada bald der Geschichte angehören.

Prayas Chavan war erst 13 Jahre alt, als ihre Familie plante, sie mit ihrem Cousin zu verheiraten (erfahren Sie hier mehr über ihre Geschichte). Glücklicherweise erfuhr Swati Patil, Mitarbeiterin unserer Partnerorganisation, davon und griff sofort ein.
Durch intensive Gespräche mit der Familie, der Dorfgemeinschaft und dem Kinderschutzbeauftragten konnte die Hochzeit verhindert werden. Heute ist Prayas Teil einer Jugendgruppe, die von Swati und ihrem Team geleitet wird. Dort lernen Mädchen spielerisch über Themen wie Kinderheirat, Gewalt und Gleichberechtigung – und stärken sich gegenseitig. Prayas ist heute 17 Jahre alt und setzt ihre Schulausbildung fort. Sie möchte die erste Frau ihrer Familie werden, die die Schule abschliesst.

Zeuginnen häuslicher Gewalt

Priyanka Chavan war erst 16 Jahre alt, als sie mit Amol verheiratet wurde. Die ersten Jahre der Ehe waren glücklich und sie bekamen zwei Kinder. Als ihr Mann anfing zu trinken und sein Geld bei illegalen Glücksspielen zu verlieren, wurde er jedoch gewalttätig. Priyanka war gezwungen, eine Reihe von Gelegenheitsarbeiten anzunehmen, um ihren Mann und die beiden Kinder zu unterstützen. Oft kam es vor, dass Amol zu ihrem Arbeitsplatz ging und sie vor den Augen ihrer Kollegen schlug.

Priyanka

Irgendwann wollte Priyanka die Gewalt nicht mehr hinnehmen. Sie suchte Unterstützung bei einer lokalen NGO und bat auch ihre Familie um Hilfe. Die Situation besserte sich daraufhin kurzfristig, auch wenn sich Priyanka eine aufgrund der Zwischenfälle eine neue Arbeit suchen musste.

Doch im August 2024 suchte Amol Priyankas neuen Arbeitsplatz auf und versuchte, sie mit einem Messer zu töten. Die Mitarbeiter der Partner-NGO nahmen sich des Falls an und erstatteten Anzeige gegen Amol wegen häuslicher Gewalt und versuchten Mordes. Er befindet sich heute in Untersuchungshaft.

Mein Name ist Anjali Ramdas Jadhav, ich bin 29 Jahre alt und wurde mit 14 verheiratet. Mein Mann verschwand vor acht Jahren, seither bin ich mit meinen zwei Söhnen allein. Es ist schwer, für uns zu sorgen, da die Preise stark gestiegen sind. Ich kann mir keine Milch mehr leisten, und das letzte Mal Gemüse habe ich vor einem Monat gekauft. Tomaten kosten jetzt 100 Rupien pro Kilo, statt 20 bis 30. Die Kinder fühlen sich schwach.

Dank SWISSAID habe ich eine Arbeit als Köchin in der Schule und arbeite zusätzlich als Tagelöhnerin auf einem Bauernhof. Sie helfen mir auch, staatliche Hilfsgelder zu bekommen. Das gibt mir mehr Selbstvertrauen und ermöglicht es mir, für meine Familie zu sorgen.