Der Klimawandel wirkt sich stark auf die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern in Kolumbien aus. Die Agrarökologie ist zwar eine wirksame Lösung, die Widerstandsfähigkeit der Bauernfamilien zu stärken, erfordert aber Zeit und Wissen. Eine digitale Plattform schafft hier Abhilfe: Indem die Bäuerinnen und Bauern ihre Erfahrungen und Ratschläge teilen, stärken sie ihre landwirtschaftlichen Fähigkeiten. Und die Frauen lernen gleichzeitig, Vertrauen in ihre zentrale Rolle innerhalb der Gemeinschaften zu gewinnen.
Die Fakten
Die Ziele
Angesichts der sich verschärfenden klimatischen Bedingungen und der daraus resultierenden neuen Herausforderungen benötigen die Bäuerinnen und Bauern Unterstützung, um eigene Lösungen zu erproben und zu entwickeln. Klima und Bodenbeschaffenheit unterscheiden sich je nach Region. Nur agrarökologische Methoden, die auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmt sind, verbessern die Widerstandsfähigkeit der lokalen Ernährungssysteme und die Anpassungsfähigkeit der Familienbetriebe. Die Schaffung von Mikrolaboratorien für Agrarökologie, sogenannte Agrarökologische Labore zur Anpassung an den Klimawandel (AeD-LAB), ermöglichen es den Bauernfamilien zu experimentieren, Wissen auszutauschen und die eigenen Kenntnisse zu vertiefen.
Ob am grossen Regenwasserbecken oder inmitten von grünen Gemüsegärten –Luz Marina Ladino, eine 47-jährige Bäuerin aus Kolumbien mit strahlenden Augen – erklärt und beantwortet ihr gestellte Fragen sicher und selbstbewusst. Ein starker Kontrast zu der Frau, die sie vor zwei Jahren noch war: «Ich war sehr schüchtern und traute mich nicht, mit den Leuten zu sprechen. Ich hatte das Gefühl, dass mich ein Mikrofon verschlingen würde», erzählt sie halb ironisch, halb ernst. «Ich versteckte mich immer hinter den Leuten, wo sie mich nicht sehen konnten.»
Die Bäuerin hat seither einen eindrucksvollen Weg zurückgelegt. Und sie ist nicht die Einzige. Denn im Hochland der Anden hat sich vieles verändert. Ein Wandel, der durch die Agrarökologie herbeigeführt wurde.
Neue Perspektiven
Kolumbien ist besonders anfällig für den Klimawandel. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in den Höhenlagen oder in den Küstenregionen, die sowohl von Dürreperioden als auch von sintflutartigen Regenfällen betroffen sind. Das erschwert die Planung der Ernten der bäuerlichen Familien. Die Erträge werden immer knapper, der Hunger nimmt zu.
Doch mit dem richtigen Wissen, angepasst an die lokalen Bedingungen, können Bäuerinnen und Bauern die klimatischen Herausforderungen meistern und den Hunger bekämpfen. Zu diesem Zweck hat SWISSAID das Pilotprojekt «AeD-Labs» entwickelt, was für «Agroecological Adaptation Labs» steht. In Mikrolaboratorien sollen die Bäuerinnen und Bauern ermutigt werden, mit einfachen und effektiven Lösungen zu experimentieren, um ihre Ökosysteme gegen den Klimawandel zu stärken. So testen sie auf ihren Feldern agrarökologische Methoden, wie zum Beispiel das Anlegen natürlicher Hecken aus Futterpflanzen, die gezielte Dünung des Bodens oder füttern den Tieren selbstgemachtes Futter.
Ihre Spende verändert Leben
Die Kraft des Teilens
Die Agrarökologie ist die beste Antwort auf den Klimawandel. Sie ist aber keine fertige Lösung, sondern basiert auf Versuch und Irrtum, Verbesserung und Anpassung. Damit gute Praktiken leichter umgesetzt werden können, wurde in Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Start-Up «Farmbetter» und den Bäuerinnen und Bauern eine App entwickelt.
Diese App ermöglicht es Bäuerinnen und Bauern, die vor denselben Herausforderungen stehen, ihr Wissen und ihre Innovationen in der Agrarökologie einfach zu teilen und sich auszutauschen. So können bestimmte Innovationen nicht nur innerhalb eines Dorfes, sondern in ähnlichen Umgebungen, wie zum Beispiel in den ecuadorianischen Anden und den «Páramos», angewendet werden.
Die Agrarökologie hat das Leben von Luz Marina Ladino verändert. Sie hat agrarökologische Methoden auf ihren Feldern getestet und angepasst und ihre Erfahrungen anschliessend auf der Plattform «Aed-Labs» geteilt. Jetzt profitieren andere Bäuerinnen und Bauern von ihrem Wissen.
Eine wiedergewonnene Stimme
Die Frauen sind die Stütze der Gemeinschaft. Sie sind für die Kinder, die Bildung und die Ernährung der Familie verantwortlich. Oftmals sind sie es, die in den Dörfern bleiben, um sich um die Familie zu kümmern. Sie spielen daher eine zentrale Rolle im Kampf gegen den Hunger, jedoch mit geringen Mitteln.
In einer einschränkenden patriarchalischen Gesellschaft aufgewachsen, haben sie nie gelernt, sich zu behaupten, öffentlich zu sprechen oder selbstbewusst aufzutreten. Das Projekt soll das Selbstvertrauen der Frauen stärken und sie ermutigen, an lokalen Institutionen und Initiativen teilzunehmen. «In den letzten zwei Jahren haben wir an zahlreichen Workshops für Frauen teilgenommen. Wir haben uns getroffen, unsere Ängste überwunden und uns anderen gegenüber geöffnet. Wir haben uns weiterentwickelt und uns emanzipiert. Jetzt sind wir uns unserer Fähigkeiten bewusst, verlassen uns auf unsere Stärken und sind nicht mehr schweigsam.», erklärt Luz Marina. Und das hat positive Auswirkungen auf die gesamte Gemeinschaft.
«AeD-Labs» ist ein Erfolg: Durch eine aktive und einbeziehende Herangehensweise würdigt dieses Projekt wertvolles lokales Wissen und führt gleichzeitig praktische Innovationen ein, die sowohl die Ökosysteme als auch das Selbstvertrauen der Bäuerinnen und Bauern stärken. «Ich traue mich jetzt, in der Öffentlichkeit zu sprechen», sagt Luz Marina und symbolisiert damit die wiedergewonnene Stimme der Bäuerinnen, die einst schweigsam waren und jetzt in ihren Gemeinschaften und darüber hinaus bedeutende Veränderungen bewirken.