Der heute von «No Patents on Seeds» publizierte und dem Europäischen Patentamt (EPA)[1] in einer Aktion übergebene Bericht zeigt auf, wie trotz Verbot der Patentierung konventionell gezüchteter Pflanzen und Tieren nach wie vor Patente angemeldet werden, welche die konventionelle Züchtung betreffen. Syngenta beansprucht in verschiedenen Patentanträgen Tausende von natürlich vorkommenden genetischen Variationen, die für die Züchtung von Nahrungspflanzen wie Sojabohnen und Mais benötigt werden, um deren Resistenz gegen Pflanzenschädlinge zu verbessern. Bayer, BASF, Rijk Zwaan und Co. haben diverse Patentanträge für Tomaten mit einer Resistenz gegen den sogenannten Jordan-Virus eingereicht. Die betreffenden Gene haben die Unternehmen vor allem bei wilden Verwandten der Tomate gefunden. Das Ergebnis dieser gleichzeitigen Beanspruchung der genetischen Anlagen ist ein ‚Patent-Dickicht‘. Dieses blockiert effektiv den Zugang zu dem biologischen Material, das in der traditionellen Züchtung benötigt wird, um die gewünschte Virusresistenz zu erzeugen. Der einst freie Zugang zu vorhandenen Sorten und zu Akzessionen in den Genbanken wird somit für die Züchter*innen stark eingeschränkt.
Es braucht politisches Handeln
Im April 2020 legte die Grosse Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in einem historischen Grundsatzentscheid fest, dass Pflanzen und Tiere aus ‚im Wesentlichen biologischen‘ Züchtungsverfahren nicht patentierbar seien. Damit reagierte sie auf die Forderungen der Zivilgesellschaft, des Europäischen Parlaments sowie von Züchter- und Bauernorganisationen, die sich jahrelang gegen die Erteilung solcher Patente gewehrt hatten. Doch die Organisationen hinter «No Patents on Seeds»[2] mahnten bereits damals, dass noch zu viele Schlupflöcher bestünden, um Patente auf konventionelle Pflanzen wirklich zu verhindern.
Der vorliegende Bericht bestätigt diesen Befund – und unterstreicht die Dringlichkeit politischen Handelns, damit konventionelle Züchter*innen ihre Innovationsfähigkeit auch in Zukunft behalten. «No Patents on Seeds» sammelt zurzeit Unterschriften für eine Petition, die von den Minister*innen der Vertragsstaaten des EPA wirksame Massnahmen gegen Patente auf die konventionelle Zucht von Pflanzen und Tieren fordert. Mehr als 200’000 Unterschriften wurden bereits gesammelt und täglich werden es mehr.
Wie Patente auf Pflanzen in Europa gehandhabt werden, beeinflusst auch die Praxis in Ländern des globalen Südens. Patente auf Saatgut sind dort hochproblematisch, weil die Bäuerinnen und Bauern existenziell darauf angewiesen sind, ihr Saatgut frei vermehren zu können.
[1] Das Europäische Patentamt ist das Exekutivorgan der Europäischen Patentorganisation, welcher auch die Schweiz angehört. Hier werden Patente erteilt, die in allen 38 Vertragsstaaten (inkl. der Schweiz) Gültigkeit haben.
[2] «No Patents on Seeds» ist ein Netzwerk Europäischer Nichtregierungsorganisationen. Die Mitglieder aus der Schweiz sind Public Eye, Biorespect, Swissaid und ProSpecieRara.
Der Bericht: https://www.no-patents-on-seeds.org/de/bericht2022
Fotos der Aktion vor dem Europäischen Patentamt: https://www.no-patents-on-seeds.org/de/news/patente_gene
Die Petition: Patente auf Saatgut stoppen!
Medienkontakte für weitere Informationen:
- François Meienberg, Projektleiter Saatgutpolitik, ProSpecieRara, meienberg@prospecierara.ch; Tel: 061 545 99 19
- Simon Degelo, Verantwortlicher Saatgut und Biodiversität SWISSAID, degelo@swissaid.ch; Tel: 076 824 00 46