Aufgrund der vielfältigen negativen Entwicklungen in der Weltwirtschaft droht armen Ländern die schlimmste Schuldenkrise seit den 1980er Jahren: Sie bahnte sich schon vor Corona an und wird jetzt noch verschärft. Im März forderte UNCTAD, die Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Uno ein internationales Hilfspaket zur Bekämpfung der Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftskrise in den Entwicklungsländern in der Höhe von 2,5 Billionen Dollar.

Die zusätzlichen finanziellen Mittel, die von multilateralen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, aber auch von einzelnen Ländern wie der Schweiz im Rah­men der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit bereits gesprochen wurden, rei­chen nicht aus, um der Krise in Entwicklungsländern adäquat zu begegnen.

Gläubiger- und Geberländer müssen sich deshalb jetzt auch finanz- und steuerpolitisch bewegen. Sie haben in den letzten Monaten historisch einmalige Hilfspakete zur Rettung der eigenen Volkswirt­schaften geschnürt. Arme Länder konnten erstens davon kaum profitieren und verfügen zweitens auch nicht über die wirtschaftspolitischen Hebel, um selber vergleichbare Coronahilfen zu mobili­sieren. Über Schuldenerlasse können für die betroffenen Länder jedoch schnell zusätzliche Mittel für die Krisenbekämpfung mobilisiert werden.

Die Schweiz vergibt schon lange keine bilateralen Kredite mehr an staatliche Gläubiger und verfügt zudem im IWF und in der Weltbank nur über einen sehr beschränkten Einfluss, wenn es um die Aus­gestaltung von deren Kreditregimen geht. Schweizer Banken hingegen spielen als private Gläubiger von Staaten eine wichtige Rolle: Gemäss bisher unveröffentlichten Zahlen der Schweizer National­bank (SNB) belaufen sich die öffentlichen Schulden, die die 86 ärmsten Länder bei vierzig Schweizer Banken derzeit haben, auf insgesamt 5.7 Milliarden Franken.

Elf Schweizer Entwicklungsorganisationen fordern den Bundesrat deshalb dazu auf, einen run­den Tisch einzuberufen, an dem die Modalitäten von dringenden Schuldenerlassen für Entwicklungs­länder durch die Schweizer Banken verhandelt werden. An diesem runden Tisch müssen neben den Interessen des Bundes, der kreditgebenden Banken und der Schuldnerregierungen auch jene der Zivilgesellschaft vertreten sein. Die Anliegen der von der Coronakrise am stärksten betroffenen Be­völkerungsschichten in den Schuldnerländern müssen in den Verhandlungen direkt und substanziell Gehör finden.

Im Weiteren fordern die unterzeichnenden Organisationen, dass die involvierten Banken gegenüber der Öffentlichkeit Transparenz über ihre Kredite, deren Konditionen und die Modalitäten ihrer Rück­zahlung herstellen. Es geht um öffentliche Schulden, die von der Allgemeinheit in den betreffenden Ländern mitgetragen werden müssen; damit besteht an diesen Daten ein hohes öffentliches Inte­resse. Im Sinne der Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung, die auch in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO verankert ist, hat auch die Schweizer Öffentlichkeit ein Interesse an diesen Daten, sind doch in einigen dieser Länder sowohl die Direktion für Entwicklung und Zusam­menarbeit (Deza) als auch das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) mit Projekten im Rahmen ihrer internationalen Zusammenarbeit engagiert.

Für weitere Informationen:

Dominik Gross, Experte für Finanzfragen bei Alliance Sud: Tel. 078 838 40 79, E-Mail: dominik.gross@alliancesud.ch

SWISSAID ist eine der Trägerorganisationen von Alliance Sud