Vor dem Bundeshaus symbolisieren zwei Meter hohe ‚schreiende‘ Tomaten, Brokkoli, Gerste und Mais die untragbaren Zustände bei der Patentierung von Pflanzen. Die Anzahl der vom Europäischen Patentamt (EPA) erteilten Patente auf konventionell gezüchtetes Saatgut nimmt stetig zu – und dies, obwohl Patente auf die herkömmliche Zucht von Pflanzen und Tieren in Europa eigentlich verboten sind. Die Schweizer Organisationen fordern im Rahmen der Koalition «No Patents on Seeds» gemeinsam mit über 70 Organisationen und 240’000 Mitunterzeichnenden aus 18 Staaten die europäischen Regierungen dazu auf, gegen diesen offensichtlichen Missbrauch des Patentrechts vorzugehen.
Es braucht klare politische Vorgaben
Die Unterzeichner:innen fordern, dass sich die 39 Vertragsstaaten des EPA (darunter auch die Schweiz) zu einer Konferenz treffen, um wirksame Massnahmen gegen Patente auf Pflanzen und Tiere zu ergreifen. Nach einem jahrelangen Hin und Her hatte die Grosse Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes im April 2020 in einem historischen Grundsatzentscheid festgelegt, dass Pflanzen und Tiere aus ‚im Wesentlichen biologischen‘ Züchtungsverfahren nicht patentierbar seien. Sie reagierte damit auf die Forderungen der Zivilgesellschaft, des Europäischen Parlaments sowie von Züchter- und Bauernorganisationen, die sich jahrelang gegen die Erteilung solcher Patente gewehrt hatten. Die Rechtsunsicherheit hält aber bis heute an. Denn listige Patentanwälte finden nach wie vor Wege, um das Verbot zu umgehen. Es braucht deshalb eine klare politische Vorgabe der zuständigen Minister:innen. Patente auf Verfahren, die auf Kreuzung, Selektion oder zufälligen Mutationen beruhen, müssen ebenso ausgeschlossen werden wie die Ausweitung von Gentechnik-Patenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere. Um die bestehenden Verbote durchzusetzen, müssen Patente, die Pflanzen und Tiere betreffen, strikt auf gentechnische Verfahren begrenzt werden.
Patente behindern die Innovation
Erst vor kurzem hat das EPA Einsprüche gegen Patente auf Braugerste und Bier der Firma Carlsberg zurückgewiesen. Weitere Patente auf Mais, Tomaten und Salat wurden erteilt. Firmen wie Syngenta melden sogar Patente an, mit denen tausende natürlicherweise vorkommende Genvarianten beansprucht werden. Beansprucht wird die Verwendung dieser Genvarianten für die Zucht sowie für die Pflanzen, die damit gezüchtet werden. Vor diesem Hintergrund warnt «No Patents on Seeds» vor einem Lockdown für die traditionelle Pflanzenzucht. Denn Patente auf genetischen Ressourcen behindern Innovationen massgeblich. Damit aber die landwirtschaftliche Vielfalt bewahrt werden und fortlaufend neu entstehen kann, ist der freie Zugang zu Saatgut und Vermehrungsmaterial elementar.
Weitere Informationen
- Fotos der Aktion auf dem Bundesplatz in Bern, verfügbar ab Montag, 12. Dezember, 14.00Uhr: https://swissaid.fotoware.cloud/fotoweb/albums/Y5G1XTDmMQLO1nS1/
- Die Petition: Patente auf Saatgut stoppen!
- Bericht «Patente auf Gene und Gen-Variationen können den Zugang zur biologischen Vielfalt für die Pflanzenzucht blockieren»
Medienkontakte:
- François Meienberg, Projektleiter Saatgutpolitik ProSpecieRara, francois.meienberg@prospecierara.ch; Tel: 061 545 99 19
- Simon Degelo, Verantwortlicher Saatgut und Biodiversität SWISSAID, s.degelo@swissaid.ch; Tel: 076 824 00 46