Weltweit leiden mehr als 735 Millionen Menschen an Hunger. Rund die Hälfte davon sind Kleinbäuerinnen oder Kleinbauern in den Ländern des Globalen Südens. Hunger ist nicht nur ein Mangel an Nahrung, sondern das Symptom tief verwurzelter globaler Ungerechtigkeiten, die durch den Klimawandel, Konflikte und wirtschaftliche Unsicherheit verschärft werden. Die Hungerkrise ist kein isoliertes Problem, sondern das Ergebnis eines fehlerhaften globalen Ernährungssystems.
Erfolge der Sufosec-Allianz
Im Jahr 2020 haben sich SWISSAID und fünf weitere Schweizer NGOs zur Sufosec-Allianz zusammengeschlossen (Allianz für nachhaltige Ernährung weltweit). Gemeinsam engagieren sie sich in 29 Ländern in Lateinamerika, Afrika und Asien mit einem Ziel: nachhaltige Ernährungssysteme aufzubauen und so den Hunger zu bekämpfen.
Die Allianz beschränkt sich nicht auf theoretische Konzepte, sondern legt Wert darauf, die Wirkung ihrer Projekte wissenschaftlich zu evaluieren. Sie führt regelmässig Umfragen bei den von ihnen unterstützten Bauernfamilien durch. Seit 2021 führt Sufosec Haushaltsbefragungen an insgesamt 62 Projektstandorten in 19 Ländern durch. Die letzte Erhebung im Jahr 2023 umfasste eine Stichprobe von knapp 10’000 kleinbäuerlichen Haushalten in 15 Ländern, was 125’000 Haushalte weltweit repräsentiert. Die dabei erzielten Ergebnisse sind ermutigend.
Im Jahr 2023 haben 43 Prozente der befragten Betriebe eine neue agrarökologische Methode eingeführt. Das hat dazu geführt, dass in nur 24 Monaten die durchschnittliche Anzahl der angewendeten Methoden pro Kleinbetrieb von vier auf zehn gestiegen ist (siehe Abb. 6). Das ist ein Fortschritt, da jede neu eingeführte agrarökologische Methode die Wahrscheinlichkeit an Ernährungsunsicherheit zu leiden, um 5 Prozent verringert.
Weitere Daten belegen, dass die Mangelernährung in den Projekthaushalten zwischen 2021 und 2023 im Durchschnitt signifikant um 10 Prozent gesunken ist. In 13 von 23 Projekten konnte der Hunger deutlich verringert werden. Und in 9 von 17 Projektregionen konnte eine deutliche Verbesserung der Ernährungssituation festgestellt werden. (siehe Abb.7).
Die Ergebnisse zeigen, dass eine Kombination der angewendeten Methoden aus verschiedenen Gruppen (Reduzierung von schädigenden Mitteln, Schutz der Biodiversität, Synergien mit der Viehhaltung, Förderung der Bodengesundheit) einen verstärkenden Effekt auf die Ernährungssicherheit hat. Bäuerinnen und Bauern, die Methoden aus mindestens drei der Gruppen anwenden, reduzieren ihre Anfälligkeit für Mangelernährung um etwa 20 Prozent und ihr Risiko an Hunger zu leiden um 34 Prozent.
Die Agrarökologie, eine globale Lösung
Die Agrarökologie ist das Schlüsselinstrument der Allianz-Projekte. Während der agrarökologische Ansatz bekannte und bereits häufig angewandte Methoden wie die Diversifizierung des Saatguts oder die Bewässerung mit Regenwasser integriert, bietet er auch eine Vielzahl anderer innovativer Techniken, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte umfassen.
Die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaften werden durch das Teilen und Bewahren von traditionellem Saatgut gestärkt. Der Schwerpunkt liegt auf dem Austausch von Techniken und Erfahrungen zwischen Bäuerinnen und Bauern, sei es durch Feldbesuche oder digitale Anwendungen. Frauen, die oft die Hauptakteurinnen in der Nahrungsmittelproduktion sind, werden besonders unterstützt. Sie werden in Entscheidungsprozessen einbezogen und in der Teilnahme an verschiedenen lokalen Gremien geschult.
Wirtschaftlich trägt die Agrarökologie zur Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Sicherheit der Bauernfamilien bei. Sie setzt auf geschlossene Kreisläufe und solidarische Märkte sowie auf kurze Lieferketten, wie zum Beispiel den Direktverkauf auf dem Hof, feste Absatzmärkte und garantierte Preise. Diese Ansätze schaffen Netzwerke, in denen sich Produzent:innen und Konsument:innen kennen und faire Preise vereinbaren.
Darüber hinaus ist die Agrarökologie zwar arbeitsintensiver, jedoch kostengünstiger, da die Bäuerinnen und Bauern bei Pestiziden, Düngemitteln, Saatgut und Gesundheitskosten sparen. Pestizide verursachen jedes Jahr 385 Millionen Vergiftungen und bis zu 10’000 Todesfälle unter den Landarbeiter:innen. Die Verringerung ihres Einsatzes ist ein doppelter Gewinn.
Laut der FIES-Umfrage (Food Insecurity Experience Scale), ein von der Vereinten Nationen entwickeltes Instrument zur Messung der Ernährungssicherheit, ist die Rate der schweren Mangelernährung in Matiguas, Nicaragua, von 13 auf 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. «Vorher hatten wir nichts zu essen», bezeugt die Bäuerin Paula Zamora. Im Rahmen eines Projekts, dem sie und ihre Familie 2020 beigetreten sind, bauen sie dank agrarökologischer Praktiken nun 15 verschiedene Pflanzensorten an.
Unsere Ernährung hat sich stark verbessert und mit dem Überschuss können wir ein zusätzliches Einkommen erwirtschaften.
Herausforderungen der Agrarökologie
Die Umstellung auf eine agrarökologische Landwirtschaft erfordert Zeit und Erfahrung und sie steht nach wie vor vielen Hindernissen gegenüber. Druck von Agrarkonzernen, staatliche Richtlinien, institutionelle Rahmenbedingungen oder fehlende Investitionen: «Die Agrarökologie muss oft gegen bestehende Strukturen und den Mainstream arbeiten», erklärt Johanna Jacobi, Assistenzprofessorin an der ETH Zürich und Verantwortliche der wissenschaftlichen Begleitung des Berichts.
Als Expertin für agrarökologische Transitionen weiss Johanna Jacobi, dass «ein Paradigmenwechsel nicht nur auf der Ebene der Bäuerinnen und Bauern notwendig ist. Ein Umdenken ist auch auf politischer, sozialer und wirtschaftlicher Ebene erforderlich. Es geht darum, Millionen von Haushalten zu erreichen und die Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass es keine Gründe mehr gibt, die Agrarökologie nicht zu fördern.»
Um ein global nachhaltiges und gerechtes Ernährungssystem zu schaffen, setzt die Allianz Sufosec ihre agrarökologische Arbeit mit der ländlichen Bevölkerung fort und engagiert sich weiterhin bei staatlichen Institutionen. Denn die Herausforderungen sind nach wie vor gross.
In einigen Regionen, insbesondere in Guinea-Bissau und im Tschad, hat die Ernährungsunsicherheit aufgrund von Dürren, Überschwemmungen oder gewalttätigen Konflikten zugenommen.
Unter diesen schwierigen Lebensbedingungen hat die Agrarökologie nur eine begrenzte Wirkung und muss mit vielen anderen Massnahmen kombiniert werden, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Dies beweist einmal mehr, dass die Entwicklungszusammenarbeit von entscheidender Bedeutung ist und ihre Arbeit fortgesetzt werden muss.
Sehen Sie hier die Aufzeichnung des Launch-Events am 14.10.2024.
Plus de raisons de ne pas promouvoir l’agroécologie
Die Ergebnisse auf einen Blick, erklärt in 10 Minuten: