«Unser Planet steuert auf eine Katastrophe zu», warnte der Nobelpreisträger für Chemie und Klimaaktivist Jacques Dubochet in seiner Einleitung. Während die Lösung für die globale Erwärmung bekannt ist, nämlich „mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe aufzuhören“, hält er den Weg, der in Bezug auf die Landwirtschaft zu beschreiten ist, für komplizierter: „Zwei Drittel des Planeten kämpfen ums Überleben, um Nahrung. Die Agroökologie könnte eine Lösung sein – doch wie setzen wir sie im grossen Stil um?»
Aufzeichnung des Webinars
Eine Stimme aus dem Feld
Kavita Gandhi, Verantwortlich für die Programme von SWISSAID in Indien, berichtete anschliessend über die Situation im ostindischen Odisha. Wie an unzähligen anderen Orten beeinträchtigt der Klimawandel auch im Dorf Jamutbahl die Aktivitäten der Kleinbauernfamilien.
Steigende Temperaturen, Dürren, schwankende Regenfälle und Monsune machen den Bäuerinnen das Leben schwer. Die Ernteerträge sinken und damit auch das Einkommen. Die Ernährung wird zunehmend eintöniger.
Der Druck insbesondere auf die Frauen ist enorm: Nicht nur sind sie oft für die Beschaffung von Essen für die gesamte Familie verantwortlich, sondern auch für die Pflege von Jung und Alt. Abwanderung und Migration in die Städte sind oft die Folge.
SWISSAID setzt sich dafür ein, diese Kleinbäuerinnen vor Ort zu unterstützen. Saatgutbanken werden aufgebaut und diversifiziertes, an den Klimawandel angepasstes Saatgut wird entwickelt. Darüber hinaus werden Kleinbauernfamilien in agroökologischen Praktiken geschult und die Gleichstellung gestärkt.
Die Sicht der Wissenschaftlerin
Johanna Jacobi, Agrarökologin und Forscherin beim Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern, erläuterte in ihrem Beitrag zunächst die Prinzipien der Agroökologie. Diese Wissenschaft der nachhaltigen Landwirtschaft sei auch eine soziale Bewegung. Ein transdisziplinäres Konzept, das nicht auf vorgefertigte Antworten wie zum Beispiel den Ersatz eines Pestizids durch ein Biopestizid hinausläuft. Vielmehr handle es sich um ein komplexes, diversifiziertes System.
Auf der Grundlage verschiedener Forschungsstudien, unter anderem ihrer eigenen, in der sie drei Arten der Kakaoproduktion (Monokultur, einfache Agroforstwirtschaft und dynamische Forstwirtschaft) miteinander verglich, kam die Spezialistin zu folgenden Schlussfolgerungen: Agroforstwirtschaft verbessert die Böden, reduziert Wasserstress, trägt zur Vielfalt von Obst und Gemüse bei, liefert Brennholz und trägt zur Ernährungssicherheit bei. Darüber hinaus binden agroforstwirtschaftliche Systeme zwei- bis dreimal mehr CO2 im Boden als konventionelle Systeme.
Um solch agroökologische Methoden überhaupt anwenden zu können, sei – neben Saatgut und der richtigen Ausrüstung – der Zugang zu Land von essenzieller Bedeutung. Ein globales Ernährungssystem, das nachhaltig und gerecht ist, setzt gemäss der Expertin tiefgreifende Veränderungen voraus. So ist zum Beispiel eine Demokratisierung der natürlichen Ressourcen und der Nahrungsmittelsysteme sowie die Wiederherstellung der Verbindung zwischen Produzenten und Konsumentinnen notwendig.
Eine lebhafte Diskussion
Nach den Präsentationen ergriffen mehrere Teilnehmende das Wort. Zu den diskutierten Punkten gehörten: die Bedeutung des Direktverkaufs in Nord und Süd, die Ausbildung von Landwirten und die Ernährungsbildung, insbesondere für junge Menschen.
Auf die Frage, ob die konventionelle Landwirtschaft im Jahr 2050 der Vergangenheit angehören wird, wurden mehrere Stimmen laut, die warnten, dass unsere Ökoysteme keine dreissig Jahre mehr auf dekarbonisierte Nahrungsmittelsysteme warten können. Unter den angesprochenen Themen wurde mehrfach die zentrale Bedeutung eines ungehinderten Zugangs zu lokalem, klima-robustem Saatgut hervorgehoben. Dem freien Tausch von solchem Saatgut sowie der Schaffung weiterer Saatgutbanken kommt eine zentrale Bedeutung zu.
Drei Monate vor zwei Volksabstimmungen über Pflanzenschutzmittel, wurden auch die Gefahren von Pestiziden und chemischen Substanzen von den Teilnehmern angesprochen. Insbesondere erwähnt wurde die Gefährdung der bestäubenden Insekten.
Einige fügten hinzu, dass es auch wichtig sei, Landwirte in ihren agroökologischen Bemühungen zu unterstützen. Dieser Meinung war auch Kavita Gandhi. Sie forderte einen Systemwechsel, um den vielfältigen Herausforderungen der globalen Erwärmung zu begegnen und sprach sich gleichzeitig für eine gezielte soziale und ökonomische Unterstützung für Kleinbäuerinnen aus.
Jacques Dubochet seinerseits wiederholte seine Botschaft in Form einer Frage: «Wie bringen wir Millionen von Menschen dazu, Agroökologie anzuwenden?»