Coletha Chiponde wirft sich für ein Foto in Siegerpose. Sie hat allen Grund dazu. Als Kleinbäuerin aus der Region Mtwara im Süden Tansanias hatte sie kein weibliches Vorbild für die Rolle, die sie sich erkämpft hat. Coletha hat dank Schulungen von SWISSAID und ihren Partnerorganisationen gleich mehrere Führungsrollen inne: Sie bildet andere Frauen zum Thema Gewalt an Frauen aus und sensibilisiert die Dorfbevölkerung für mehr Chancengleichheit und Gleichberechtigung.

Sie ist im Beratungskomitee der Sekundarschule und sorgt dafür, dass bereits Mädchen erfahren, dass sie keine Unterdrückung und sexuelle Ausbeutung erdulden müssen, sondern die gleichen Rechte für sich reklamieren können wie die Jungs. Auch als Leiterin der Bäuerinnengruppe unterstützt sie nach Kräften andere Frauen, die Führungsaufgaben übernehmen wollen und ist so zur Multiplikatorin geworden.

Bisher waren in der Region alle leitenden Positionen von Männern besetzt. Sowohl für die Männer aber auch die Frauen im Dorf war klar, dass Colethas Aufgabengebiet als Frau auf Hausarbeit, Feldarbeit und Kinderbetreuung beschränkt ist. «Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Frauen wegen des patriarchalen Systems, kulturellen und religiösen Überzeugungen ignoriert wurden und entsprechend machtlos waren», sagt Coletha. Die Söhne erhielten eine Ausbildung, weil man sich von diesen mehr wirtschaftlichen Erfolg erhofft. Quasi auf Kosten der Mädchen, die jedoch als Erwachsene für das Überleben des Haushalts unerlässlich und oft für die Ernährung der Kinder verantwortlich sind.

Der mangelnde Zugang zu Bildung, Netzwerken und Ressourcen sowie ein tiefes Selbstvertrauen und hohe Hürden zu wirtschaftlichen Aktivitäten tragen zusätzlich dazu bei, dass Mädchen in ländlichen Gegenden von Tansania nicht von Führungspositionen zu träumen wagen. Dabei schneiden sich die Gemeinden ins eigene Fleisch. Frauen, die zusätzliche Einnahmen generieren können, helfen nicht nur, die Kinder zu ernähren, sondern verbessern auch die Lebensbedingungen der gesamten Gemeinde.

Empowerment für den Wandel

Der Wendepunkt in Colethas Leben war das Projekt von SWISSAID «Ausbildung, Leadership und Gleichstellung – für eine lebenswerte Zukunft von Frauen in Tansania». Mit den Schulungen wird der Hebel dort angesetzt, wo es nötig ist. Es braucht Frauen in Führungspositionen, welche die Frauenrechte verteidigen, indem sie die Gesetze für Gleichberechtigung kennen, anwenden und weitere Frauen darüber informieren. Zudem sind sie bei Entscheidungsprozessen dabei und können diese Entscheidungen zu Gunsten der Bedürfnisse von Frauen beeinflussen. SWISSAID coacht Frauen wie Coletha in Führungspositionen und unterstützt sie bei der Vernetzung: «Ich habe nun das nötige Selbstvertrauen, um eine Gruppe zu leiten, vor Leuten zu sprechen und bei den Gemeindetreffen furchtlos meine Meinung zu sagen.»

Die Geschichte von Coletha Chiponde ist eine von zahlreichen Erfolgsgeschichten aus unseren Projekten in Tansania. Sie zeigt, wie Frauen Veränderungen anstossen. Über eine fünf-Jahres-Periode (2019-2024) konnten 2’335 Frauen direkt profitieren und etwa 12’550 Frauen indirekt.

«Ich habe nun das nötige Selbstvertrauen, um eine Gruppe zu leiten, vor Leuten zu sprechen und bei den Gemeindetreffen furchtlos meine Meinung zu sagen.»

 

Coletha Chiponde, Kleinbäuerin aus Mtwara, Tansania.

Gendertransformation und kulturelle Praktiken

Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts ist die Transformation von Geschlechterrollen, indem negative Verhaltensweisen, Normen und kulturelle Praktiken, die Frauen von bestimmten Aktivitäten ausschliessen, thematisiert und angegangen werden. Nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer werden sensibilisiert. In Gruppendiskussionen und Rollenspielen, aber auch über Radiosendungen, Theaterstücken wird ein Umdenken angestossen und das Terrain geebnet für mehr Frauen in Führungsrollen. Denn, ohne dass sich das patriarchale System ändert, ändert sich auch nichts an der Situation der Frauen.

Auch beim Ehemann von Colentha, Shaibu Ntavanga, hat dieser Ansatz Früchte getragen: «Ich unterstütze meine Frau mit ganzem Herzen in ihrer Rolle als Ausbildnerin. Coletha hat nicht nur mir die Augen geöffnet, sondern auch allen Bewohner:innen des Dorfes.»

Der Weg hin zu mehr Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau hat auch wertvolle Nebeneffekte für die Ehe, wie Coletha’s Ehemann weiss: «Ich verstehe nun, wie wertvoll es ist, wichtige Entscheide gemeinsam zu treffen. Und das sage ich auch allen meinen Freunden, unterstützt Eure Ehefrauen!»

Der Projektansatz, bei dem Frauen in Führungsrollen geschult werden und so mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit erlangen, wird im Rahmen vom CROPS4HD-Projekt weitergeführt. SWISSAID wird weiterhin Frauen auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung unterstützen, damit immer mehr es wagen, nicht nur von Führungsrollen zu träumen, sondern sie auch zu besetzen. Denn indem sie ihre Autonomie und Handlungsfähigkeit stärken, bewegt sich eine ganze Gemeinschaft auf dem Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit, mehr Chancen … und weniger Hunger.