«Seitdem wir agrarökologischen Anbau betreiben, kann ich unsere Familie ausreichend, gesund und vielfältig ernähren», weiss Zenaba Daniki aus dem Tschad. «Und dank eigenem Ackerland kann unsere Frauengruppe endlich genügend Nahrung anbauen», so die Kleinbäuerin und Mutter. Daniki gehört zu den 12 000 Frauen allein im Tschad, die von den durch SWISSAID und ihren lokalen Partnerorganisationen aufgebauten agrarökologischen Projekten profitieren. Agrarökologie und Gleichstellungspolitik sind die wichtigsten Instrumente von SWISSAID, um den Hunger nachhaltig zu überwinden.
In Ländern wie dem Tschad gehört das Land per Gesetz nur den Männern. Unverheiratete, geschiedene und verwitwete Frauen sind so gezwungen, Anbauflächen zu pachten, oder können lediglich kleine Parzellen bepflanzen, die zu ihren Häusern gehören. Beides führt dazu, dass sie sich und ihre Kinder nicht ausreichend ernähren können. Die Agrarökologieprojekte von SWISSAID fördern zugleich die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen und damit Geschlechtergleichheit.
Die Beteiligung von Frauen in Entscheidungsgremien ist ein weiteres zentrales Ziel von SWISSAID – und das aus gutem Grund: Die Gleichstellung von Frauen führt zur Armutsreduktion. Würde Frauen insgesamt der Zugang zu Boden, Krediten, Wissen und schliesslich Macht gleichwertig ermöglicht, sänke die Armut um 25 Prozent, die Produktivität stiege um 40 Prozent, landwirtschaftliche Erträge um 20 bis 30 Prozent, wie u. a. Weltbank und FAO (Food and Agriculture Organisation) analysieren.
Nachhaltig für Geschlechtergerechtigkeit
SWISSAID war eine der ersten Schweizer NGOs, die von 1981 bis 1986 eine Frauenstelle einrichteten, um die Gleichstellung voranzutreiben. Mit der Auflösung der Frauenstelle wurde Geschlechtergerechtigkeit institutionell verankert und in den Leitplanken der Organisation festgeschrieben. Heute steht die sogenannte transformative Genderarbeit im Zentrum: Geschlechternormen werden aktiv infrage gestellt, um Machtungleichheiten zwischen Personen anzugehen. Jedes Projekt soll strategische Interessen und unmittelbare Bedürfnisse von Frauen und Männern gleichberechtigt umsetzen. Das geht nicht, ohne dass sich auch die Männer bewegen. Nicht ohne Grund ist seit 2018 der Genderbeauftragte von SWISSAID ein Mann.
SWISSAID fokussiert Gleichstellungs- und agrarpolitische Fragen und bezieht dabei gezielt die Männer mit ein. Sie sollen Verantwortung übernehmen. In Diskussionsgruppen reflektieren sie ihr Verhalten, legen tradierte Vorurteile ebenso ab, wie ihre auf patriarchalen Strukturen basierenden Vorteile. Vermachtete Verhältnisse werden für Frauen geöffnet, offen diskutierbar gemacht – und so demokratisiert.
Alle sind gefordert
Die auf den ersten Blick komplizierte Abkürzung PSEAH verweist auf die Selbstverpflichtung aller Mitarbeiter:innen, Schutzmassnahmen gegen sexuelle Ausbeutung und Missbrauch sowie gegen andere Formen von Belästigung oder Mobbing durch die vier Säulen Sensibilisierung, Prävention, Meldung und Reaktion zu treffen; PSEAH steht für Protection from Sexual Exploitation, Abuse and Harassment.
Polini verdeutlicht: «Die Männer sind gefordert, und die Frauen ebenfalls. Ihnen sind über Jahrhunderte Freiheitsrechte regelrecht ‹abtrainiert› worden. Männer verharren oft auf ihren Privilegien.» Dagegen gründete SWISSAID z. B. im Niger sogenannte Groupes de masculinité. «Wo Männer sich untereinander treffen und begleitet von Sozialarbeitern die Themen ‹Gleichstellung› und ‹Männlichkeit› diskutieren und sensibilisiert werden, können Veränderungen erarbeitet und gelebt werden», berichtet Mahamane Rabilou Abdou von SWISSAID Niger.
Wir haben die PSEAH-Grundsätze sehr ernst genommen und mit der Einführung vom Tag Null an gepusht.
Daniele Polini, SWISSAID-Genderbeauftragter
Es geht in den SWISSAID-Projekten daher darum, diese tief verwurzelten sozialen Normen zu ändern und abzuschaffen. Als ein Element in diesem Prozess dient die Stärkung der Rechte und des Selbstwertgefühls von Frauen. Innert vier Jahren konnte SWISSAID mit dem Projekt Towards Gender Equality mehr als 100 000 Einwohner:innen in 80 Dörfern erreichen. Die Verbindung von gleichberechtigtem Zugang zu Ressourcen und agrarökologischen Projekten überwindet nicht nur Hunger nachhaltig, sie macht die Welt gerechter.
Laut Umfragen glauben über 40% der Männer in Indien, es sei in Ordnung Frauen zu schlagen, wenn sie z. B. Sex verweigern oder nicht ordentlich kochen.
Sneha Giridhari, SWISSAID Indien
Agrarökologie in Kürze
Die Agrarökologie ist eine Form der partizipativen Landwirtschaft, die die Umwelt, Menschen und Tiere respektiert und die biologische Vielfalt fördert. Sie misst der Nachhaltigkeit einen hohen Wert bei und basiert daher auf natürlichen Kreisläufen und einem ressourcenschonenden Anbau, der sich nach den Jahreszeiten richtet. Bäuerinnen und Bauern, die Agrarökologie betreiben, verringern ihre Abhängigkeit von schädlichen und teuren Chemikalien wie Pestiziden und Düngemitteln sowie vom Saatgut der Agrarkonzerne. Sie verwenden widerstandsfähigere und umweltfreundlichere Pflanzenkulturen, wodurch sie ihre Kosten senken und ihre Einnahmen steigern.
Agrarökologische Techniken schützen zudem die Böden und stärken die Kulturen gegen den Klimawandel. Die Ernten sind regelmässiger, weniger wetterabhängig und laugen den Boden mit den Jahren nicht aus. Zudem werden die Bäuerinnen und Bauern ermutigt, traditionelles Saatgut einzulagern, zu verkaufen, zu tauschen und anzubauen, denn es ist besonders gut an die regionalen Gegebenheiten angepasst, benötigt weniger Pflege und stärkt die Böden.
SWISSAID stützt sich auf die 13 Grundsätze der Agrarökologie, wie sie vom HLPE (High Level Panel of Experts) definiert wurden. Diese umfassen die Elemente der Agrarökologie gemäss FAO und die Prinzipien der CIDSE (Coopération Internationale pour le Développement et la Solidarité). Bei ihrer Umsetzung fügt SWISSAID ein 14. Element hinzu, das der Stiftung wesentlich erscheint: die aktive Beteiligung von Frauen und die Stärkung ihrer Rechte.
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