Es ist Markttag in N’Djamena. Frauen und Männer drängeln in der Morgenhitze durch die verstaubten Strassen der tschadischen Hauptstadt. Die Händler preisen ihre Produkte an. Es wird gefeilscht, gerufen, geflucht. Mittendrin: Maimouna Bah. Sie arbeitet für SWISSAID im Koordinationsbüro im Tschad. Sie notiert die Preise für Reis, Mais und Weizen. Was sie sieht, bereitet SWISSAID Sorgen. Bereits während der Coronapandemie sind die Nahrungsmittelpreise stark gestiegen. Dieser Trend setzt sich weiter fort. «Insbesondere Getreideprodukte sind massiv teurer», sagt Maimouna Bah.
Kostete 100 Kilo Reis im Juli 2023 noch 35 000 Zentralafrikanische Francs, umgerechnet rund 52 Franken, hat sich der Preis im Juni 2024 mit 75 000 CFA (112 Franken) schon mehr als verdoppelt. Der Benzinpreis ist seit Februar 2024 um 41 Prozent gestiegen – was sich indirekt auch wieder auf die Preise der Nahrungsmittel niederschlägt. Auch andere Güter des täglichen Bedarfs wie Seife, Öl oder Sesam sind ein Vielfaches teurer geworden.
100 Kilo Reis
kostete im Juli 2023 noch 35’000 Zentralafrikanische Francs (52 Franken). Im Juni 2024 hat sich der Preis mit 75’000 CFA (112 Franken) schon mehr als verdoppelt.
41 % Preiserhöhung
auf den Benzinpreis seit Februar 2024 – was sich indirekt auch wieder auf die Preise der Nahrungsmittel niederschlägt.
Armutschere geht auf
Und eine Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Preise steigen weiter. Unsere Mitarbeiterin Maimouna Bah weiss nur zu gut, was der stete Preisanstieg für die Menschen in einem Land, in dem fast die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, bedeutet. «Die Auswirkungen sind beträchtlich. Wegen der exorbitanten Lebensmittelpreise leben viele unter dem Existenzminium. Die Folgen sind noch mehr Hunger und noch mehr Armut.»
Ihre Spende verändert Leben
Auch in Myanmar und Indien
Ein ähnliches Bild zeigt sich 8000 Kilometer weiter östlich in Myanmar. Laut Marktbeobachtungen des Welternährungsprogramms ist der Preis für Nahrungsmittel im Land innert einem Jahr um 80 Prozent gestiegen – gleichzeitig verdienen die Haushalte 40 Prozent weniger als im Vorjahr.
Schätzungsweise ein Drittel der Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. «Besonders Frauen sind stark betroffen. Wegen der Wirtschaftskrise im Land verlieren sie ihre Arbeit und sind verstärkt dem Menschenhandel ausgesetzt», sagt Kaman Zau Hkam aus dem SWISSAID-Büro vor Ort.
Die Folgen der andauernden Inflation sind immens: Der Hunger hat wieder zugenommen. 2022 waren weltweit fast 800 Millionen Menschen betroffen. 122 Millionen mehr als 2019. In der Hoffnung auf mehr Nahrung und einem menschenwürdigen Leben verlassen Menschen ihre Heimat. Das begünstigt Kinder- und Menschenhandel. Das Elend der Menschen im Globalen Süden wächst. Die Armutsschere geht weiter auf.
Mein Name ist Ma Nang Noae und ich lebe mit meinem Mann und meinen drei Kindern in Pin Laung Township. In unserem Dorf sind viele weggezogen. Auch meine Kinder suchen Arbeit in der Stadt. Hier ist das Überleben sehr schwierig. Seit 2021 steigen die Preise jedes Jahr. Kosteten Maissamen damals noch 38 000 Kyat (16 Franken), gebe ich heute für den genau gleich grossen Sack 150 000 Kyat (65 Franken) aus. Ich habe Glück: SWISSAID ist in unserem Dorf aktiv. Dank eines Startkapitals haben wir eine eigene Maschine gekauft und stellen heute selbst Tofu her. Ich bilde Frauen in der Tofuherstellung aus. Das und die Einkünfte vom Verkauf geben mir ein zusätzliches Einkommen. Zudem erlaubt mir das Wissen rund um die Agrarökologie, meine Felder vielfältig zu bepflanzen und mit der eigenen Ernte unsere Ernährung zu sichern.
«Mein Name ist Anjali Ramdas Jadhav. Ich bin 29 Jahre alt. Meine Eltern haben mich mit 14 verheiratet. Mein Mann ist aber vor acht Jahren verschwunden. Seither bin ich mit meinen zwei Söhnen allein. Es ist schwierig, für meine Familie zu sorgen. Die Preise sind enorm gestiegen. Ich kann mir keine Milch für die Kinder mehr leisten. Das letzte Mal Gemüse habe ich vor einem Monat gekauft. Auf dem Markt kosten Tomaten 100 Rupien pro Kilogramm. Normalerweise liegt der Preis bei 20 oder 30Rupien. Wie soll ich mir das leisten? Die Kinder fühlen sich schwach. Ich gebe heute mehr als die Hälfte meines Einkommens für Lebensmittel aus. Dank SWISSAID habe ich mittlerweile eine Arbeit als Köchin im Rahmen des staatlichen Programms für die Mittagsverpflegung in der örtlichen Schule. Ausserdem arbeite ich als Tagelöhnerin auf einem benachbarten Bauernhof. Daneben hilft mir SWISSAID, an staatliche Hilfsgelder zu kommen. Das gibt mir etwas Boden unter den Füssen und mehr Selbstvertrauen, für mich und meine Familie einzustehen!»
Zeit der Polykrisen
Die Gründe sind von Land zu Land, von Region zu Region unterschiedlich – und nicht überall gleich ausgeprägt. Doch klar ist: Das global stark vernetzte und von wenigen Unternehmen dominierte Ernährungssystem krankt. Insbesondere in Zeiten der mannigfaltigen Krisen. Jedes kleinste Zittern in einer Ecke der Welt treibt die Inflation rund um den Erdball weiter an. «Die globale Ernährungskrise ist Teil einer umfassenderen Polykrise, in der die Folgen des Klimawandels und der Covid-19-Pandemie, die Wirtschafts- und Schuldenkrise mit den Auswirkungen geopolitischer Konflikte miteinander verwoben sind», schreibt die Heinrich-Böll-Stiftung in ihrer Studie «Krisenpuffer gegen die Inflation».
Notwendige Transformation
Um die Preisspirale zu stoppen und die Ernährung auf dem Planeten langfristig zu sichern, braucht es eine Transformation der Ernährungssysteme. Mit dem Ansatz der Agrarökologie strebt SWISSAID diesen Wandel an. Jeden Tag. In jedem Land. Mit Zugang zu eigenem Saatgut, zu Wissen, zu selberproduzierten Nahrungsmitteln und lokalen Märkten werden die Menschen unabhängiger von den weltweiten Krisen.
Wie Adèle Admougo. Die 36-Jährige lebt mit ihren sechs Kindern in der Provinz Moyen-Chari im Süden vom Tschad. Auch sie spürt die Teuerung im Land. Wie alle.
«Auf dem Markt ist alles teurer geworden: Lebensmittel, Kleidung, Medizin.»
Angesichts der angespannten Preislage ist die Mutter froh, dass sie ihre eigenen Produkte auf dem Feld ernten und genügend Vorräte in ihrem Speicher aufbewahren kann. «Damit kann ich die Lebensmittelausgaben erheblich reduzieren», sagt sie.
Geholfen hat der Kleinbäuerin auch ein Kurs in Kompostierung. Mit neuen, nachhaltigen Techniken konnte sie ihre Erträge auf dem Feld steigern. Damit reicht es nicht nur für die Ernährung ihrer Familie – sondern auch für Verkäufe auf dem nahen gelegenen Wochenmarkt. «Mit den Gewinnen, die ich aus meinem Geschäft erhalte, kann ich für meine gesamte Familie sorgen!»