Bleiben Sie informiert. Hier erhalten Sie aktuelle Informationen über die verheerenden Auswirkungen des Krieges auf die globale Ernährungssicherheit. Insbesondere zeigen wir die Folgen auf die Lebensmittelversorgung in unseren Partnerländern auf und erklären die Zusammenhänge zwischen diesem Krieg und dem Hunger auf der Welt.
Teure Lebensmittel – «Ich habe Angst, dass meine Töchter hungern müssen»
Der Ukraine-Krieg hat die ganze Welt schwer getroffen – und seine Auswirkungen sind auf allen Kontinenten spürbar. Auch in kleinen Bauerndörfern Tansanias, wo unsere Reporterin unterwegs war. Dort haben ihr Menschen über ihre Ängste und Sorgen, die der Krieg verursacht, berichtet. Sie erzählen davon, wie sie persönlich, ihre Familien und Arbeitskollegen und -kolleginnen von den Folgen des Krieges betroffen sind.
Zum Beispiel die 29-jährige Nuru Mohamed aus Kiromo nahe der Küstenstadt Bagamoyo. Sie produziert und verkauft seit gut einem Jahr im eigenen Geschäft die sogenannten Mandazi, ein Donut-ähnliches Gebäck.
«Die Preise der Zutaten dafür sind so stark gestiegen, dass ich anfangen musste, die Gebäcke teurer zu verkaufen. Doch dadurch habe ich nur meine Kunden verscheucht.» Mittlerweile verkauft sie kleinere Mandazi zum ursprünglichen Preis. «Ich habe zwei kleine Töchter – zwei und neun Jahre alt. Ich habe Angst, dass ich mit dem Geschäft Konkurs gehe und nicht mehr richtig für sie sorgen kann», sagt Mohamed unter Tränen.
Steigende Ölpreise auch in subventionierten Ländern
Seit dem 1. August 2022 ist der Ölpreis im Niger um 24 Prozent gestiegen. Angesichts des internationalen Preisanstiegs kamen die Leute aus den meisten Nachbarländern, um sich im Niger mit dem billigeren subventionierten Öl einzudecken. Trotz der Subventionen der Regierung und der Aussetzung der Exporte führte dies weiter zu einem Preisanstieg. So stiegen die Transportpreise für eine Fahrt nach Niamey von 125 auf 250 CFA-Francs und nach Niamey-Dosso von 2500 auf 3000 CFA-Francs.
Preisanstieg in einer krisenreichen Zeit
Auch in Indien sind die Folgen des Ukraine-Kriegs spürbar, obwohl das Land die Sanktionen gegen Russland nicht übernommen hat und nicht direkt von Importen aus Russland oder der Ukraine abhängig ist. Der Krieg hat die weltweiten Lieferketten aber so stark durcheinander gebracht, dass die Inflation in Indien bereits fast 7 Prozent beträgt. Experten rechnen damit, dass die Preise in absehbarer Zeit weiter steigen werden. Wie viele Menschen in Indien kann sich Soni Giridhar Naktode lebenswichtige Güter kaum mehr leisten:
Dünger, Gemüse, Zucker, Öl – alles ist unglaublich teuer geworden. Früher konnten wir uns mit 100 Rupien Gemüse für sieben Tage kaufen, heute reicht dieser Betrag nur noch für zwei Tage. Ich kann meine Familie kaum mehr versorgen. Wir können auch kein Geld für medizinische Behandlungen mehr auf die Seite legen. Mit dem Verkauf von Hühnern halten wir uns momentan gerade noch über Wasser.
Dieser Preisanstieg trifft die indische Bevölkerung in einer krisenreichen Zeit. Die Menschen kämpfen weiterhin mit den wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie und leiden vermehrt unter den Auswirkungen der Klimakrise.
Soni Giridhar Naktode
Brot aus lokalem Getreide hilft gegen den Hunger
Seit mehreren Monaten steigen die Lebensmittepreise stetig an, was auf die Knappheit insbesondere von Weizenmehl zurückzuführen ist. Die Bäckereien mussten die Brotpreise erhöhen, wie hier auf diesem Aushang ersichtlich.
Die Folge: Die Menschen im Niger können sich dieses Grundnahrungsmittel kaum mehr leisten. Deshalb wird SWISSAID Niger mit dem Ausbildungszentrum AGAPE für Bäckerinnen und Bäcker zusammenarbeiten und sie im Rahmen der Förderung von lokalem Getreide bei der Herstellung von Mischbrot aus lokalem Getreide und Weizenmehl unterstützen. Ausserdem erhalten sie Unterstützung in der Preisgestaltung ihrer Produkte. Erfahren Sie in diesem Video mehr über das Ausbildungszentrum.
Lebensmittelpreise steigen weiter an
In Tansansia werden die Lebensmittelpreise und der Treibstoff täglich teurer. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mais und Weizen, die hauptsächlich von den armen Menschen konsumiert werden, sind weiter drastisch angestiegen. Speiseöl kostet in der Zwischenzeit so viel, dass sich viele Menschen keines mehr kaufen können. Um eine Katastrophe abzuwehren, subventioniert die tansanische Regierung die Produktion von Ölsaaten und Treibstoff. «Die Regierung hat im August den Treibstoff mit 100 Milliarden Tansanischen Schilingen (TSZ, 41 Milliarden Franken) subventioniert», so Betty Malaki, Leiterin des Koordinationsbüro SWISSAID in Tansania. Derzeit liegen die Preise für Benzin bei 3410 TZS (1.40 Franken) und für Diesel bei 3322 TZS (1.35 Franken).
SWISSAID Tansania fördert weiterhin die Agrarökologie und die Eigenständigkeit der Bäuerinnenfamilien, damit sie künftig möglichst wenig von externen Einflüssen abhängig sind.
Lage in Guinea-Bissau spitzt sich weiter zu
Die steigende Inflation verringert die Kaufkraft, das Einkommen und die Ersparnisse der Menschen erheblich. Die Produktionskosten der Unternehmen sind in die Höhe geschnellt, wodurch Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen kaum mehr möglich sind. Die geringe Kaufkraft der Haushalte wird wahrscheinlich auch Auswirkungen auf die Ausgaben für Bildung und Gesundheit haben und sie negativ beeinflussen. Guinea-Bissau hat ein grosses Nahrungsmitteldefizit und deckt mit seiner landwirtschaftlichen Produktion weniger als 50 Prozent seines Bedarfs ab.
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind die Preise für Nahrungsmittel ins Unermessliche gestiegen (s. auch Beitrag vom 2. Juni). So kostet zum Beispiel Fisch und Fleisch doppelt so viel wie vor dem Krieg. Und die dreifach so hohen Preise für die öffentlichen Verkehrsmittel sind für die Mensche fast nicht mehr bezahlbar.
Das erzählt Cherno Talato Jalo, Programmverantwortlicher von SWISSAID in Guinea-Bissau.
Konferenz: Wie der Krieg in der Ukraine die Hungersnot im Süden verschärft
Der Krieg in der Ukraine verschärft die weltweite Hungerkrise. An einer von SWISSAID organisierten Online-Konferenz am 7. Juli schätzte Gian Carlo Cirri vom Welternährungsprogramm, dass bei diesem Tempo bis Ende des Jahres 345 Millionen Menschen von Hunger betroffen sein werden. Mahamane Rabilou Abdou, Leiter des SWISSAID-Koordinationsbüros im Niger, beschreibt die Situation im Land als zunehmend “unhaltbar”.
Hier finden Sie die vollständige Aufnahme der Online-Konferenz (auf Französisch).
Preisanstieg gefährdet Ernährungssicherheit
Nur wenige Wochen nach Beginn des Ukraine-Kriegs erreichten die Treibstoffpreise in Tansania einen neuen Höchststand. Beim Benzin beispielsweise betrug der Anstieg im April 12 Prozent und im Mai 9,5 Prozent. Dieser Preisanstieg beeinträchtigt durch die höheren Transportkosten die Versorgungsketten und treibt indirekt auch die Preise von Waren und Dienstleistungen in die Höhe. Joseph Columbus, begünstigter Bauer im Bezirk Masasi, ist besorgt:
«Alles hier wird teurer: Ein Kilo Reis kostete vorher 1’500 Tansania-Schillinge (TZS; 60 Rappen), neu 2’200 TSZ (90 Rappen). Für einen Liter Speiseöl zahle ich jetzt 8’000 TSZ (3.30 Franken), vorher waren es noch 5’000 TSZ (2 Franken). Und der Preis für 18 Kilo Mais hat sich gar verdoppelt: von 5’000 TSZ auf 10’000 TSZ (4 Franken).»
Die Bäuerinnen und Bauern in Masasi bauen überwiegend Cash Crops an, also Produkte, die für den Verkauf bestimmt sind: Cashewnüsse, Sesam, Sonnenblumen und Kokosnüsse. Mit dem Ertrag kaufen sie Lebensmittel wie Reis und Mais. Während die Kosten für Güter in die Höhe schiessen, verschlechtere sich der Wert der Cash Crops weiter, so Columbus. Für die Bäuerinnen und Bauern werde es immer schwieriger, ihre Familien zu ernähren. Da das Ernährungssystem in Tansania stark durch die konventionelle Landwirtschaft geprägt ist, stellt auch der Anstieg der Düngerpreise eine Gefahr für die Ernährungssicherheit dar. «50 Kilo Dünger kosten aktuell 150’000 TZS (62 Franken), vorher waren es noch 90’000 TZS (37 Franken)», erzählt Columbus.
Joseph Columbus ist dank den agrarökologischen Schulungen im SWISSAID-Projekt nicht mehr auf diesen Dünger angewiesen. Er hat seinen Betrieb gemäss den Prinzipien der Agrarökologie umgestellt und produziert nun seinen eigenen Dünger. Der Bauer ist überzeugt, dass in Zukunft immer mehr Bäuerinnen und Bauern agrarökologisch produzieren, um nicht mehr von Ereignissen wie zum Beispiel dem Ukraine-Krieg betroffen zu sein. „Dank ökologischer Landwirtschaft werden sie unabhängiger und resistenter gegenüber den Folgen globaler Krisen“, so Columbus.
Die Lage im Niger verschärft sich weiter
Für die Menschen im Niger sind die Auswirkungen des Ukraine-Krieges besonders verheerend, denn schon vorher waren die Lebensmittel knapp und Dürren zerstörten die Ernten vieler Bäuerinnen und Bauern. Der Kleinbauer Abdoul Moumouni Seydou aus der ländlichen Gemeinde Kieche im Südwesten des Landes hat Angst:
„Die Preise haben sich in letzter Zeit fast verdoppelt. Für arme Menschen wie mich ist das eine Katastrophe. Solange der Krieg andauert, steigen auch die Preise weiter an. Schon jetzt können sich selbst die Reichen nicht mehr alles leisten.”
Bereits Ende 2021 lancierte SWISSAID ein Nothilfe-Projekt im Niger, um den betroffenen Menschen rasch und unbürokratisch zu helfen. Zum Nothilfe-Projekt
Inflation in Indien
Indien erlebt eine Inflation von 7 – 8% und einen kontinuierlichen Anstieg der Benzin- und Kochgaspreise. Dieser Anstieg trifft vor allem die arme Bevölkerung. Indien importiert den größten Teil seines Erdöls (80%). Wenn also die internationalen Preise steigen, werden sich die wichtigsten Güter weiter verteuern.
Der Krieg & der Hunger
Ernährungsnotstand im Tschad
Anfang Juni hat der Tschad wegen ausbleibender Getreidelieferungen den Ernährungsnotstand ausgerufen. Der Vorsitzende der regierenden Militärjunta wies auf die ständige Verschlechterung der Nahrungsmittel- und Ernährungslage hin. Er warnte vor einer wachsenden Gefahr für die Bevölkerung, wenn keine humanitäre Hilfe geleistet werde. Laut UNO könnten im zentralafrikanischen Land bald über fünf Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sein.
Olivier Ngardouel Mbaïnaïkou, Verantwortlicher im SWISSAID-Koordinationsbüro im Tschad, bestätigt die Notlage: «Es ist Tatsache, dass im Tschad ein Nahrungsmittelnotstand herrscht, und zwar vor allem, weil die Preise für Nahrungsmittel stark ansteigen.» Gemäss Mbaïnaïkou kann die schwierige Lage langfristig nur verändert werden, wenn agrarökologische Produktionstechniken weiter gefördert oder die Produktion stärker diversifiziert wird. Auch die Stärkung der Basisorganisationen im Land kann die Widerstandsfähigkeit – insbesondere von Bäuerinnen – gegenüber externen Einflüssen wie Preisschwankungen oder Klimaphänomene stärken, so Mbaïnaïkou.
Der Tschad ist eines von vielen Ländern in der Sahelzone, dem eine Hungerkrise bevorsteht. Das Land ist aktuell mit der schlimmsten Trockenheit seit 40 Jahren konfrontiert.
Treibstoffkrise und Preisanstieg
In einem Krieg wie diesem leiden, neben den direkt betroffenen Ländern, vor allem die armen Länder, weil diese stark von importierten Waren abhängig sind. Guinea-Bissau ist mit einer chronisch unsicheren Ernährungslage konfrontiert, die nun durch die Treibstoffkrise noch verschärft wird.
«Die Regierung hat die Steuern für den Verkauf von Benzin erhöht und viele Tankstellen mussten schliessen. Deshalb herrscht nun Knappheit. Die Schwarzmarkthändler verlangen den doppelten Preis: Benzin kostete früher etwa 700 francs. Jetzt sind es 1’000 bis 1’200 francs», erklärt Cherno Talato Jalo, Programmverantwortlicher von SWISSAID Guinea-Bissau.
Der Preisanstieg bei den wichtigsten Gütern ist alarmierend, während die Löhne weiterhin miserabel sind. Der Mindestlohn liegt bei 50’000 CFA-francs und der Höchstlohn bei etwa 180’000 CFA-francs. Die Preisanstiege bei den Grundnahrungsmitteln – Reis +50 Prozent, Zucker +30 Prozent, Speiseöl +80 Prozent, Milch +40 Prozent und Brot +35 Prozent – führen zu Not in der Bevölkerung. Auch alltägliche Hygieneprodukte sind teurer geworden: Während die Seife vor einigen Wochen noch 650 francs pro Stück kostete, ist der Preis nun auf 1’250 francs pro Stück gestiegen. Die Bevölkerung rechnet mit weiteren Preiserhöhungen.
Niger in Gefahr
Ende 2021 waren 2,3 Millionen Menschen im Niger akut von Hunger bedroht. Die Gründe dafür sind katastrophale Ernten aufgrund des instabilen Klimas und gewaltsame Konflikte. Der Krieg in der Ukraine, der die Lebensmittelpreise in die Höhe treibt und die Importe verringert, verschärft die Situation zusätzlich. Unseren Schätzung zufolge sind im Niger per Ende Mai rund 3,7 Millionen Menschen betroffen. Wir helfen schnell und unkompliziert mit Lebensmittelpaketen und schnellwachsendem Saatgut.
Putins Kornkrieg treibt 10 Millionen zusätzlich in den Hunger
Der Klimawandel, eine weltweite Pandemie und jetzt die Nahrungsmittelblockade Russlands. Das Essen wird in vielen Ländern knapp – oder zu teuer. Wir gehen davon aus, dass wegen der Blockade zusätzlich 8 bis 13 Millionen Menschen an Hunger leiden werden.
Zum Interview im Blick mit Thais In der Smitten, Verantwortliche Medien und Kampagnen bei SWISSAID (deutsch)
Menschen auf der Flucht – globale Ursachen und Folgen
Für die Menschen in Ostafrika, in der Sahelzone aber auch in anderen Regionen bedeutet der hohe Weizenpreis, dass ihnen Arbeitslosigkeit – im schlimmsten Fall eine Hungerkatastrophe droht.
Zum Interview im Radio X mit Thais In der Smitten, Verantwortliche Medien und Kampagnen bei SWISSAID (deutsch)
Giganten der Weizenproduktion
Im Krieg zwischen der Ukraine und Russland stehen sich nicht nur zwei Länder, sondern auch zwei globale Giganten der Weizenproduktion gegenüber. Der aktuelle Konflikt könnte Auswirkungen auf die weltweite Nahrungsmittelsituation haben – und besonders auf die Ernährungssicherheit in den afrikanische Ländern.
Zum Interview im RadioCité Genève mit Delphine Neyaga, Medien- und Kampagnenverantwortliche für die Westschweiz bei SWISSAID (französisch)
Russland und Ukraine sind die wichtigsten Weizenexporteure
Der Krieg in der Ukraine zeitigt seine Auswirkungen. Eine davon ist eine weltweite Verknappung von Lebensmitteln. Wie ist dies möglich, da es sich dabei doch um einen lokalen Krieg handelt?
Zum Interview im Radio Life Channel mit Thais In der Smitten, Verantwortliche Medien und Kampagnen bei SWISSAID (deutsch)
Die Wut der Bananenbauern
Die Preise für Bananen in Ecuador fielen infolge der Sanktionen gegen Russland stark, denn fast 100 % der in Russland konsumierten Bananen kamen aus Ecuador. Mehr als ein Viertel der Bananenexporte des südamerikanischen Landes entfielen auf Russland. Da die Sanktionen diese Exporte stoppten fielen die interne Preise. Die unzufriedenen Bäuerinnen und Bauern schütteten ihre Produkte auf die Straßen von Quito und forderten Hilfe von der Regierung. Obwohl sich die Stadt wieder beruhigt hat, ist die Wut der Bäuerinnen und Bauern über ihre sinkenden Einkommen ungebrochen.
Weltweite Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit
Neben den menschlichen Tragödien, die durch die russische Invasion in die Ukraine verursacht werden, hat diese auch Auswirkungen auf die globale Lebensmittelversorgung. Russland und die Ukraine gelten nicht nur als «Kornkammern» Europas, sie sind auch die Hauptlieferanten von Weizen für viele afrikanische Länder. Die beiden Länder decken rund 30 Prozent des weltweiten Bedarfs ab. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) machen die Importe etwa 85 % der Versorgung Afrikas südlich der Sahara aus. Die 45 am wenigsten entwickelten Länder der Welt importieren mindestens ein Drittel ihres Weizens aus der Ukraine oder Russland, sie alle werden nach der Ukraine am meisten unter diesem Krieg leiden.
Die Effekte und Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die weltweite Ernährungssicherung können Experten zufolge weitreichend sein. So warnte Antonio Guterres, UN-Generalsekretär, schon früh vor einem «Zusammenbruch der Weltwirtschaft, der eine Hungerkrise hervorruft, die die Ärmsten am härtesten trifft.»
So sprechen die Vereinten Nationen von einem «Wirbelsturm des Hungers», der laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Osteuropa weitere 8 bis 13 Millionen Menschen in den Hunger stürzen könnte.
Besorgniserregende Preisanstiege
Die geernteten Mengen und Exporte aus der Ukraine beeinflussen die Preise weltweit. Der seit dem russischen Angriff beobachtete Preisanstieg ist besorgniserregend. Der globale Weizenpreis ist um rund ein Drittel gestiegen, im Vergleich zum Vorjahr gar um 60 Prozent. Dauert der Krieg an, droht eine weitere Erhöhung, etwa weil auf Feldern in der Ukraine nicht ausgesät werden kann, was zu schweren Versorgungsengpässen führt. Auch die Preise für Milchprodukte und Speiseöle befinden sich auf Rekordniveau. Auch die Kosten für Treibstoff und schiessen in die Höhe und verteuern die transportierten Lebensmittel weiter.
Grosse Unsicherheit in vielen afrikanischen Ländern
Der Krieg betrifft vor allem viele afrikanische Länder, auch Partnerländer von SWISSAID. Sie sind jetzt noch stärker vom Hunger bedroht. «Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir in den kommenden Wochen einen Preisanstieg beim Brot erleben werden, da das Mehl importiert wird», erklärt Clément Jous von SWISSAID im Tschad. Im Tschad war die letzte Ernte schlecht und die Erhöhung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Preise bereits höher als üblich sind. Im Tschad sind die Lebensmittelpreise bereits vor dem Krieg in der Ukraine angestiegen. Das liegt an der schlechten Ernte, die auch die Qualität und Menge des Saatguts beeinträchtigt hat.
Selbst in Ländern, in denen die Menschen weniger von Weizen abhängig sind, steigen die Preise von Grundnahrungsmitteln, weil Rohstoffe teurer geworden sind. SWISSAID-Programmverantwortlicher für Tansania, Rainard Mjunguli, berichtet: «Wir sind mit einem deutlichen Anstieg der Öl- und Benzinpreise konfrontiert, was sich auf die Transportkosten für verschiedene Produkte wie Speiseöl oder Reis auswirkt. Auch die Bustickets sind erheblich teurer geworden.»
Jalò Cherno Talato, Programmverantwortlicher SWISSAID Guinea-Bissau
«Wir machen uns Sorgen. In einem Krieg leiden die armen Länder immer am meisten, weil sie stark von Importen abhängig sind. Guinea-Bissau wird besonders betroffen sein, denn es existiert praktisch keine Wertschöpfungskette, da der verarbeitende Sektor gänzlich fehlt. Guinea- Bissau importiert Milchprodukte, Hygieneartikel und Getreide. Der Anstieg der Treibstoffpreise wird die Situation weiter verschärfen, da er sich auf die Preise für Transport, Energie usw. auswirken wird. Die Preise von Zucker, Speiseöl und Brot sind um mindestens 30 Prozent, die von Seife und Milch um 40 Prozent gestiegen. Andere Produkte sind nicht erhältlich, Mehl zum Beispiel ist ausverkauft. Meiner Meinung nach müssen wir die nationale Produktion erhöhen und die Verarbeitung sowie Aufwertung der lokalen Produkte fördern.»
Besonders betroffen: Niger bereits durch das Klima geschwächt
In Niger war die Lage schon lange vor Kriegsbeginn besorgniserregend. Die Ernährungssituation verschlechtert sich zusehends. Denn die Bevölkerung leidet bereits stark unter langanhaltenden Dürren und klimabedingten Extremwetterereignissen. Die Bäuerinnen und Bauern haben keine Ernte, die sie einlagern können. Erst Starkregen im Juli, dann Dürre ab August haben das kostbare Essen zerstört. Ende des letzten Jahres, dann wenn die Getreidespeicher eigentlich mit Reis, Hirse und Bohnen gut gefüllt sein sollten, waren sie fast leer. 2,3 Millionen sind akut von Hunger bedroht, weshalb SWISSAID Ende Dezember 2021 ein Nothilfeprogramm lancierte. Der Krieg in der Ukraine verschärft die Situation noch einmal drastisch. Die bereits hohen Preise auf den Märkten scheinen weiter zu steigen.
Issoufou Abdou Djibo, Programmverantwortlicher SWISSAID Niger
«Im Niger war die Situation bereits lange vor Beginn des Krieges sehr schwierig, denn die Winterernte war katastrophal. Aktuell sind mehr als 2,3 Millionen Menschen von Hunger bedroht. Viele Produkte sind bereits teurer geworden. Die Preise für Brot und Weizen sind bereits vor einigen Wochen von 200 auf 250 CFA angestiegen. Der Krieg hat die Situation verschärft und wirkt sich besonders auf den Weizen aus, weshalb arme Haushalte sich kaum mehr Brot leisten können. Auch andere Getreidesorten wurden teurer. Ein Sack Hirse kostet im Vergleich zum Vorjahr 31’000 statt 24’000 CFA, Mais kostet neu 29’000 statt 21’000 CFA und Sorghum 27’000 statt 21’000 CFA.»
Der Krieg & der Hunger
Unser Hebel: Agrarökologie und Stärkung lokaler Ernährungssysteme
Starke Abhängigkeiten von Ländern können problematisch sein. Dies zeigt sich am Beispiel des Krieges in der Ukraine, der sich nicht nur auf die beiden betroffenen Gebiete auswirkt, sondern auch auf den Rest der Welt übergreift. Die globalen Ernährungssysteme sind eng miteinander verflochten und reagieren schnell auf Marktveränderungen.
«Um Abhängigkeiten von importierten Nahrungsmitteln zu verringern und die Weltbevölkerung längerfristig zu ernähren, ist es zwingend notwendig unsere Ernährungssysteme nachhaltig zu ändern», so Sarah Mader, Themenverantwortliche Agrarökologie bei SWISSAID.
Die Lösung ist der Ansatz der Agrarökologie, die eine ökologische und sozial verträgliche Landwirtschaft fordert. SWISSAID setzt in ihrer Arbeit in den Ländern seit Jahrzehnten darauf: lokale landwirtschaftliche Produktionsketten fördern, das Wissen der Bäuerinnen und Bauern, insbesondere über Saatgut, aufwerten und die Agrarökologie implementieren. Der vielschichtige Ansatz der Agrarökologie basiert auf natürlichen Kreisläufen, schont die Ressourcen und verringert die Abhängigkeit von externen Faktoren. Zudem stärkt diese Anbauweise den Boden – und schützt so vor Stürmen, Starkregen oder Dürrezeiten.
Der Krieg in der Ukraine und seine lebensbedrohlichen Auswirkungen auf die Ernährungssituation weltweit zeigt einmal mehr, dass in unserer globalisierten Welt eine unabhängigere und lokalere Versorgung vor allem bei Grundnahrungsmitteln die Lösung im Kampf gegen den Hunger ist. Für eine krisenresistente und nachhaltige Ernährung für alle!
Quellen: