Gene Drives haben das Potential, die klassischen Vererbungsregeln ausser Kraft zu setzen. Mit Hilfe von CRISPR/Cas – einer neuen Gentechnologie, die auch als Genschere bekannt ist – können veränderte Gene an alle Nachkommen weitergegeben werden. Damit wird es möglich, ganze Populationen und Arten innerhalb weniger Generationen zu manipulieren oder sogar auszurotten. Eine gefährliche Technologie: zerstörerisch, unkontrollierbar und unumkehrbar.

Die Gefahren stehen in keinem Verhältnis zu den erhofften Zielen, Infektionskrankheiten zu bekämpfen und landwirtschaftliche Schädlinge und invasive Arten einzudämmen. Denn mit der Einkreuzung der Gene Drive Organismen in Populationen der freien Wildbahn wird eine unkontrollierbare genetische Kettenreaktion ausgelöst, die Arten ausrotten, ganze Ökosysteme verändern und die Biodiversität dezimieren kann.

«Von Gene Drives absehen»: Studie kommt zu klarem Schluss

Die Gefahr haben auch die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention anerkannt. An der COP14 im November 2018 wurde eine strikte Anwendung des Vorsorgeprinzips beschlossen. Eine detaillierte Risikobeurteilung und die Zustimmung der lokalen Gemeinschaften wurden dadurch Pflicht.

Für die Risikobeurteilung fehlen aber wissenschaftliche Grundlagen.In einer umfassenden neuen Studiezeigen die drei unabhängigen Wissenschaftsorganisationen Critical Scientists Switzerland (CSS), das Europäische Netzwerk von Wissenschaftlern für soziale und ökologische Verantwortung (ENSSER) und die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) auf, dass «erhebliche wissenschaftliche Unsicherheiten bestehen und viele Erwartungen bezüglich Gene Drives unrealistisch sind». Sie kommen zum Schluss, dass unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips von einer Anwendung von Gene Drives momentan dringend abgesehen werden muss.

Über zusätzliche Lenkungsinstrumente zur Risikobewertung von Gene Drives werden von den Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention in den kommenden zwei Jahren wegweisende Entscheide erwartet.

Afrika als Testgebiet für riskante Technologien

Währenddessen sind in Burkina Faso bereits Experimente mit Gene Drive Mücken durch das Konsortium «Target Malaria» in Vorbereitung. Regierungen von Entwicklungsländern stehen unter massivem Druck internationaler Geldgeber, gentechfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Target Malaria wird denn auch hauptsächlich durch die «Bill and Melinda Gates Foundation» finanziert.

Im Juli 2019 setzte «Target Malaria» in zwei Dörfern in Burkina Faso gentechnisch veränderte Mücken frei. Diese wurden zwar noch nicht mit Gene Drive verändert, stellen aber den ersten Schritt hin zu einer solchen Verbreitung dar. Der nationale Bauernverbandes FENOP zeigt sich sehr besorgt, da die Informationen zu den Versuchen äusserst spärlich sind und die Menschen Angst haben, ihre Bedenken zu äussern. Ein grosses Bündnis aus Organisationen der Zivilgesellschaft kritisiert, dass Afrika als Testgebiet für riskante Technologien missbraucht wird. Ausserdem wurde das Prinzip der freien und informierten Einwilligung der lokalen Bevölkerung für die Freisetzung dieser Gentech-Mücken nicht eingeholt, es fand keine öffentliche Konsultation statt und es liegen keine exakten Informationen über die Risiken vor.

Malariabekämpfung als Vorwand

Mit dem Argument der Malariabekämpfung wird versucht, die Akzeptanz der breiten Öffentlichkeit für Gene Drives zu gewinnen. Wer diese Technologie als Wundermittel in der Malariabekämpfung preist, vergisst, dass es viel lokales Wissen zum Umgang mit der Krankheit gibt und dass vor allem sozioökonomische Faktoren dazu führen, dass in Afrika immer noch so viele Menschen an Malaria erkranken.

Das grosse Interesse der Agrarindustrie an Gene Drives zeigt denn auch die wahren Hintergründe: sie wittert neue Möglichkeiten im lukrativen Markt der Schädlingsbekämpfung. Doch die wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen keine Zweifel übrig: Gene Drives müssen gestoppt werden bis ihre Wirkungsweise vollständig erforscht und die Risiken vollumfänglich bekannt sind.

Gene Drives betreffen uns alle – informieren Sie sich: www.genedrives.ch

Interview mit Ali Tapsoba

 

Ali Tapsoba, Präsident der Organisation Terre à Vie aus Burkina Faso und Sprecher des Collectif Citoyen pour Agro-Écologie, im Interview mit SWISSAID anlässlich des Gene Drive Symposiums im Mai 2019 in Bern. Tapsoba kritisiert die immensen Investitionen, welche in die unsichere Gene Drive Technologie gesteckt werden, zum Beispiel zur Malariabekämpfung. Er bedauert, dass vorhandene lokale Lösungen nicht gefördert werden. Tapsoba ruft dazu auf keine Gene Drive Organismen freizusetzen.