Im Süden des Tschads, im Departement Abtouyour. Dort lebt Yaya Adoum. Die Witwe hat sich gemeinsam mit 15 anderen Bäuerinnen der Erdnussöl-Produktion verschrieben. Die Arbeit ist mühsam und beschwerlich. Mit Steinen zerkleinern die Frauen die Samen. Oft stundenlang. Bis sich aus den Samen eine Paste gebildet hat. Daraus können die Frauen endlich Öl gewinnen.
Yaya Adoum leitet eine Frauengruppe. Die Witwe hat sich für bessere Produktionsbedingungen im Dorf eingesetzt.
Ähnlich erging es Mankaria Baya, die einen Steinwurf entfernt in einem Nachbardorf wohnt. Die Mutter von sechs Kindern pflanzte Hirse an. Weil es im Dorf keine Mühle gab, mussten die Frauen das Getreide von Hand zu Mehl verarbeiten – oder sie nahmen den weiten Weg in die über zehn Kilometer entfernte grössere Stadt Bitkine unter die Füsse. Doch ohne Transportmittel war der Weg mit der schweren Last fast nicht zu schaffen. Und einen Karren zu mieten war teuer, brauchte Geld, Zeit und Energie –, die am Schluss für die Kinder und die Familie fehlten. «Dafür bräuchten wir ein Transportmittel. Das kostet jedoch Geld. Ausserdem viel Energie und Zeit. Danach müssen wir noch für die Familie kochen, was bedeutet, dass wir Wasser und Holz holen müssen. Am Ende können die Kinder erst spät in der Nacht essen», erklärt Mankaria.
Die Bäuerinnen im Tschad verwandelten die Rohmaterialien von Hand in Öl oder Mehl. Eine ermüdende und zeitaufwändige Arbeit. Oft kam die Familie deswegen zu kurz.
Ungleiche Position
Wie viele ihrer Kolleginnen und Nachbarinnen leben auch Yaya Adoum und Mankaria Baya ohne Mann. Ihre Partner sind verstorben. Andere suchen Arbeit, Essen und Glück in den grösseren Städten und lassen ihre Frauen mit den Kindern alleine in den entlegenen Dörfern zurück. Doch auch verheiratete Frauen haben Mühe, über die Runden zu kommen. Der Tschad gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Seit Jahrzehnten rangiert es in den hintersten Rängen des Welthungerindexes. Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt in bitterer Armut. Corona hat die Situation noch verschlimmert. Der Hunger ist omnipräsent. «Die meisten Haushalte können sich kaum zwei Mahlzeiten leisten», sagt Diamnda Merci Memhodjim. Sie ist Programmverantwortliche von SWISSAID im Tschad.
Besonders vom Hunger betroffen sind Frauen. Das hat vielfältige Gründe und wurzelt in einer stark verankerten Männerwelt, mehr als anderswo. «Die tschadische Gesellschaft ist von den sozial konstruierten traditionellen Rollen geprägt», sagt die SWISSAID-Mitarbeiterin. Sie bringt ein Beispiel vom Familientisch. F rauen bringen Hirse, Hülsenfrüchte und Hühner heim, um die Familie zu ernähren. Doch am Tisch schöpfen sie sich zuletzt. Die nahrhafte und rare Kost wie Fleisch oder Kohlenhydrate landet zuerst in den Tellern der Väter und Buben. Frauen und Mädchen begnügen sich mit den Resten.
Kaum Rechte, viele Pflichten
Auch bei der Bildung stehen sie hinten an. Mädchen können oft weder schreiben noch lesen und müssen öfter die Schule abbrechen, weil sie zu Hause, auf dem Feld und beim Wasserholen helfen müssen. Jedes fünfte Mädchen zwischen 5 und 11 Jahren arbeitet mehr als 28 Stunden pro Woche im Haushalt. Bei den Buben ist es nur jeder zehnte, wie Zahlen der UNICEF belegen.
Ausserden haben Frauen im Tschad kaum Rechte. Für die Bäuerinnen besonders verheerend: Sie dürfen kein Land besitzen. Der Boden geht bei der Vererbung automatisch an die Männer. Und: Frauen haben nur begrenzten Zugang zu Krediten. Aus dieser Abhängigkeitsspirale finden sie kaum heraus. Dies tangiert nicht nur die Frauen selbst. Meist leidet die ganze Familie. Denn Frauen ernähren die Kinder, schicken sie zur Schule und bezahlen die Arztbesuche. Die Situation einer Mutter, die kein Einkommen erzielt, ist also nicht nur für sie selbst prekär, sondern auch für ihren Nachwuchs. Und damit für die zukünftige Generation. «Wir wollen den Teufelskreis von Geschlecht und Unterernährung durchbrechen», betont Diamnda Merci Memhodjim. Dies geht nur, wenn die Geschlechtergerechtigkeit mitgedacht wird. Und zwar bei jedem Projekt. Bei jedem Kurs. Bei jeder Anstellung.
SWISSAID fördert Frauen und sensibilisiert Männer, damit die Gesellschaft längerfristig mit verkrusteten Rollenbildern bricht. «Wir wollen Frauen stärken und eine positive Männlichkeit kultivieren», betont Diamnda Merci Memhodjim.
«Unsere Arbeitsbelastung hat sich erheblich verringert»
Mankaria Baya, Mutter von sechs Kindern. Sie pflanzte Hirse an.
Weniger Aufwand mehr Gewinn: Die Mühle hat das Leben von Yaya Adoum nachhaltig verbessert.
Eine kleine Hilfe
Mankarias Leben hat sich durch SWISSAID verändert. Ihr Dorfverband beantragte bei SWISSAID eine mechanische Mühle. Mitglieder aus den umliegenden Dörfern können diese nutzen. Alle berichten von einer erheblichen Zeitersparnis. «Unsere Arbeitsbelastung hat sich erheblich verringert», sagt Mankaria Baya mit einem Lächeln.
Dies sagt auch Yaya Adoum. Mit der Mühle müssen sie die Erdnüsse nicht mehr mühsam von Hand zerklopfen, sondern gewinnen das Öl einfach und schnell. Die Zeitersparnis und die höhere Produktion verbessern nicht nur das Einkommen der Frauen, sondern bringen Hoffnung für eine ganze Region.
Wir alle sind Teil der Lösung!
Klimakrise, Pandemie, Hunger: Wir sind überzeugt, dass die grossen Herausforderungen dieser Zeit nur gemeinsam angegangen werden können. Wir alle sind Teil der Lösung: Die Kleinbäuerin im Tschad, der Spender in der Schweiz, die Politikerin in Bern. SWISSAID setzt die verschiedenen Teile zusammen. Damit die Vision einer Welt ohne Hunger Realität wird. Stück für Stück.