Jede zertifizierte Non Profit-Organisation ist verpflichtet, über angemessene finanzielle Reserven zu verfügen, um die Arbeit auch in schwierigen Zeiten aufrechterhalten zu können. Arete Ethik Invest verwaltet seit Jahren dieses Vermögen von SWISSAID. Worauf achten Sie dabei?
Roman Limacher: In der täglichen Arbeit kämpft SWISSAID gegen Hunger, Armut, den Klimawandel – und setzt sich für eine gerechtere und friedlichere Welt ein. Konsequenterweise schaut sie bei ihren Investments sehr genau hin. Im Fokus stehen Aktien und Obligationen von Firmen und Ländern, die sich ernsthaft mit der Umwelt auseinandersetzen und zu einer besseren Welt beitragen wollen.
Roman Limacher, CEO von Arete Ethik Invest, bestätigt, dass Geldanlagen und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können. Richtig investiertes Geld kann dazu beitragen, die großen Herausforderungen dieser Welt zu bewältigen.
Wie geht Arete Ethik Invest bei der Zusammenstellung des Portfolios vor?
Wir sind einer der Pioniere in Sachen nachhaltiger Anlagen. Seit über 25 Jahren setzen wir uns intensiv und ausschliesslich mit diesem Markt auseinander und haben ein ganzheitliches System entwickelt. Dies fängt bei einer weitsichtigen Trend- und einer gründlichen Finanzanalyse an. Dann prüft ein unabhängiges Ethik-Komitee jeden Titel. Daraus entsteht unser Anlageuniversum, das mittlerweile rund 700 Titel umfasst. Aus diesem Topf haben wir für SWISSAID ein Portfolio zusammengestellt, das deren Anlagerichtlinien einhält.
Was sind die konkreten Kriterien, damit ein Titel im Anlageuniversum aufgenommen wird – oder eben nicht?
Wir haben einerseits klare Ausschlusskriterien bei Unternehmen und Staatsobligationen. Da gehört beispielsweise die Verletzung der Menschenrechte, die Produktion und Herstellung von Waffen oder gesetzeswidrige Geschäftspraktiken dazu. Wir investieren nicht in Länder, die Atomwaffen besitzen, die korrupt sind oder die Todesstrafe im Rechtsbestand haben. Auch eine reflektierte Energiepolitik ist uns wichtig.
Andererseits nutzen wir Positivkriterien. Da schauen wir uns unter anderem die Führungsgrundsätze an, das Angebot, die betrieblichen Prozesse, den Umgang mit natürlichen Ressourcen oder die Informationstransparenz. Aus der Bewertung der Positivkriterien ergibt sich eine Gesamtpunkzahl von 100. In eine Firma, die in der Analyse nicht 50 Punkte erreicht oder Ausschlusskriterien aufweist, darf nicht investiert werden. Die finale und verbindliche Beurteilung nimmt immer unser Ethik-Komitee vor.
«Die Wirtschaft hat einen immensen Einfluss auf Gesellschaft und Politik. Deshalb kommt es darauf an, wirtschaftliche Entscheidungen im Kern ethisch zu analysieren um im Kleinen wie im Grossen ein gutes Leben und verantwortliches Tun zu ermöglichen.»
Medizinethikerin Tanja Krones, Ethik-Komitee Arete Ethik Invest
Dieses Komitee ist unabhängig und besteht aus sieben externen Expertinnen und Experten.
Genau. Es setzt sich aus zwei Theologen, einer Ärztin, einer Umweltspezialistin, einem Ingenieur, einem Ethiker und einem Finanzwirtschafter zusammen. Sie diskutieren jeden Titel eingehend und wägen einzelne Kriterien gegeneinander ab. Dies ist manchmal gar nicht so einfach: Die Unternehmenswelt ist komplex, und die Lieferantenketten sind verstrickt. Kompromisse sind nötig. Bei den monatlichen Treffen prüft das Komitee in der Regel 5 bis 7 Titel. Mit diesem qualitativen Ansatz können wir einen hohen Standard gewährleisten. Unser Ziel ist ein sicheres und rentables, doch zugleich sozial und ökologisch verantwortliches Anlageverhalten. Darauf arbeiten wir jeden Tag hin.
Ist Nachhaltigkeit bei Geldanlagen nicht per se ein Widerspruch?
Im Gegenteil! Wir sind der Überzeugung, dass durch weitsichtige und bewusste Investments ein wichtiger Schritt hin zu einer besseren Welt gemacht wird. Die Wirtschaft und die Unternehmen tragen eine grosse Verantwortung. Mit einer bewussten nachhaltigen Investition können wir
alle – ob Klein- oder Grossanleger – ein Signal für eine zukunftsfähige Wirtschaftsweise setzen und Unternehmen fördern, die einen für Gesellschaft und Umwelt positiven realwirtschaftlichen Beitrag leisten. Zudem können wir alle gemeinsam den Geldhahn für nicht zukunftsfähige
ökonomische Aktivitäten drosseln. Die grossen Herausforderungen, wie der Klimawandel, lassen sich nur dann begrenzen, wenn auch grosse Geldströme in die richtige Richtung gelenkt werden.
In vergangener Zeit sind nachhaltige Fonds und ethische Anlagevehikel wie Pilze aus dem Boden geschossen. Jede Bank bietet mittlerweile ein entsprechendes Produkt an. Besteht da nicht die Gefahr der Verwässerung?
Durchaus. Nachhaltige Anlagen boomen. Da surfen einige Trittbrettfahrer auf der Welle mit. Die britische Thinktank Influencemap hat kürzlich 130 Klimafonds durchleuchtet. Viele davon erfüllen nicht die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens. Insbesondere die Fonds der grossen Anbieter schneiden teilweise schlecht ab und enthalten auch Titel von Total, Chevron oder Exxon Mobil. Das ist natürlich schockierend. Jedoch schauen die Medien und Anlegerinnen mittlerweile genauer hin und decken solche Skandale auf. Das spielt uns in die Hände.
Warum?
Weil so die Spreu vom Weizen getrennt wird. In Zukunft werden hoffentlich nur diejenigen Vermögensverwalter Erfolg haben, die sich ernsthaft mit Ethik und Nachhaltigkeit auseinandersetzen.