Vom 14. bis 29. März finden in Genf entscheidende Verhandlungen über die Zukunft der Biodiversität statt. Wissenschaftler:innen, Vertretende von rund 170 Staaten, Organisationen und private Akteur:innen diskutieren über Strategien, um das Verschwinden vieler Arten und ihrer Lebensräume zuerst bis 2030 und dann bis 2050 zu bekämpfen. Auf der Tagesordnung steht ein Aufruf der Vereinten Nationen, dass die Staaten bis 2030 mindestens 30 Prozent ihrer Landesfläche unter Schutz stellen sollten. Zur Erinnerung: In der Schweiz liegt dieser Anteil heute bei 6 Prozent.
SWISSAID setzt sich seit langem für die Rechte der Bäuerinnen und Bauern im Globalen Süden ein und verfolgt deshalb aufmerksam die Diskussionen zum Thema Biopiraterie. Dabei geht es um die Aneignung von traditionellem Wissen und genetischen Ressourcen durch Unternehmen, ohne die Einnahmen mit den indigenen Gemeinschaften zu teilen, die diese entwickelt haben. Die Diskussionen darüber könnten zum Stolperstein der Verhandlungen werden.
In diesem Beitrag erklärt Simon Degelo, Verantwortlicher für Ernährungssouveränität bei SWISSAID, warum das der Fall sein könnte.
Gegen digitale Biopiraterie
In Genf treffen sich diese Woche Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt, um über ein zukünftiges internationales Rahmenabkommen zur Biodiversität zu diskutieren. Diese Treffen sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur 15. Konferenz der Vertragsparteien (COP) des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt, die zu einem späteren Zeitpunkt in China stattfinden wird. Doch die Verhandlungen könnten bereits in der Vorberatungsphase an einer Knacknuss scheitern: dem Nagoya-Protokoll. Dieses regelt den Zugang zu genetischen Ressourcen und die Verteilung der daraus gezogenen Gewinne. Wie viele Industrieländer, stellt auch die Schweiz die wirtschaftlichen Interessen über die Biodiversität.
Das Nagoya-Protokoll soll Biopiraterie verhindern, das heisst die unrechtmässige Aneignung von genetischen Ressourcen. Konkret bedeutet dies, dass multinationale Konzerne, die in der Regel in Industrieländern ansässig sind, von der biologischen Vielfalt eines Landes – oftmals eines Schwellenlandes – profitieren, diesem aber keine finanzielle Gegenleistung zahlen. Das Nagoya-Protokoll soll solche Situationen verhindern.
Ein Beispiel: Rooibos, der Busch, der in Südafrika wächst und aus dem ein Kräutertee hergestellt wird, hat der Lebensmittelindustrie Millionen eingebracht. Dank des Nagoya-Protokolls werden die indigenen Völker, die ihn anbauen und das damit verbundene traditionelle Wissen kennen, 1,5 % des jährlichen Kaufpreises für Rooibos-Rohware erhalten.
Neues Rahmenabkommen in Gefahr
Die neuen Technologien machen die Situation nicht einfacher. Genetische Informationen werden immer häufiger in digitaler Form genutzt. Es können Datenbanken abgerufen werden, in denen sich Gensequenzen befinden, mit denen eine Pflanze gezüchtet werden kann, ohne dass das betreffende Land um das Saatgut gebeten werden muss. Diese Methoden beunruhigen die Schwellenländer, die befürchten, dass sie auf diese Weise um ihre Einnahmen betrogen werden. Um diesen Missbrauch zu verhindern, muss das Nagoya-Protokoll daher auf Informationen über digitale Sequenzen ausgeweitet werden.
Viele Industrieländer, darunter auch die Schweiz, lehnen dies ab, da sie die Kosten und den Verwaltungsaufwand für den Industriesektor befürchten.
Mit dieser Haltung schadet die Schweiz, die sich gerne als Verfechterin des Schutzes der Biodiversität hervortut, den Ländern des Südens, die diese Einnahmen zum Schutz ihrer Biodiversität gut gebrauchen könnten. Mehr noch: Gibt es keine Einigung über die Knacknuss Nagoya-Protokoll, könnte sogar der Abschluss des neuen Rahmenabkommens scheitern. Und damit die Konvention über die biologische Vielfalt um Jahre zurückgeworfen werden. Wertvolle Zeit zur Rettung der Biodiversität würde dann verloren gehen. Die Schweiz darf sich nicht nur um wirtschaftliche Interessen kümmern. Die Zukunft unseres Planeten steht auf dem Spiel.