Bauernfamilien leiden besonders unter Hunger

Die heute weltweit propagierte industrialisierte Landwirtschaft vermochte das globale Hungerproblem nicht zu lösen. Nach wie vor hungern rund 815 Millionen Menschen. Paradoxerweise sind Kleinbäuerinnen und Kleinbauern besonders stark von Hunger betroffen. Anstatt noch mehr standardisiertes Hochleistungssaatgut, schädliche Pestizide, Gentechnik und grossflächige Mechanisierung braucht die globale Landwirtschaft einen Paradigmenwechsel. Dies umso mehr, als Kleinbauernfamilien durch den Klimawandel vermehrt Wetterkapriolen wie Überschwemmungen oder Dürren ausgesetzt sind, die sie vor existentielle Probleme stellen.

Das Prinzip der Agroökologie setzt auf den Schutz der Umwelt und die Vermittlung sowie Weiterentwicklung von traditionellen landwirtschaftlichen Praktiken. So können Kleinbauernfamilien schon auf kleinsten Feldern autonom und klimafreundlich gesunde Lebensmittel für den Eigenbedarf und für lokale Märkte produzieren und unabhängig von teurem Saatgut und giftigen Pestiziden wirtschaften.

Rahmenbedingungen schaffen für mehr Ökologie in der Landwirtschaft

Auch die Schweizer Landwirtschaftspolitik schafft Rahmenbedingungen, die agroökologische Projekte fördern oder hemmen. Sie kann durch ihre Politik einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Uno (SDG: Sustainable Development Goals) leisten, deren Ziel 2 den Hunger beenden, die Ernährungssicherheit erlangen und eine nachhaltige Landwirtschaft erreichen will. SWISSAID setzt sich deshalb auch in der Schweiz gezielt für eine nachhaltige, biologische Landwirtschaft und den fairen Handel mit Lebensmitteln ein.

Derzeit läuftdie Diskussion zu drei Vorlagen zur Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik, die von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern entschieden werden: den Verfassungsartikel zur «Ernährungssicherheit», die Initiativen «Fair-Food» sowie «Ernährungssouveränität». SWISSAID unterstützt bzw. unterstützte alle drei Vorlagen, da sie einen Beitrag zum Prinzip der Agroökologie leisten.

24. September 2017: Ja zum Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit

Der Gegenvorschlag zur Volksinitiative für Ernährungssicherheit will die Schweizer Landwirtschaftspolitik auf längerfristige Herausforderungen vorbereiten und die inländische Produktion und Lebensmittelverarbeitung fördern. Dabei wird der Fokus verstärkt auf die regionale Produktion nach sozialen und ökologischen Prinzipien gelegt. Der Verfassungsartikel wurde mit 78 % Ja-Stimmen angenommen.

Fair, gegen Food-Waste, für mehr Nachhaltigkeit

  • Handelsbeziehungen müssen zur «nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft beitragen». Der für Entwicklungsländer wichtige faire Handel würde bei Annahme damit auf Verfassungsebene als Ziel festgeschrieben. Neu müsste der Bund faire Handelsbeziehungen zugunsten der Bauernfamilien auf der ganzen Welt fördern. Umwelt- und Sozialdumping sollen dadurch verhindert werden. Ökologisch, sozial und wirtschaftlich nicht nachhaltige Praktiken, wie etwa der Import von industriell produziertem Palmöl, könnten verhindert werden.
  • Der Einsatz des Bundes gegen Lebensmittelverschwendung wird neu zum Verfassungsziel. Damit kann das Problem «Food Waste» entlang der gesamten Lebensmittelkette angegangen werden. Dies ist ein wichtiges Zeichen für eine nachhaltigere und effizientere Verteilung von Nahrungsmitteln.
  • In der industriellen Landwirtschaft kommen in der Schweiz heute immer noch zu viele chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel zum Einsatz; die Schweiz lebt von einem ungerechtfertigt grünen Image. Die Vorlage hält fest, dass die Lebensmittelproduktion standortangepasst erfolgen soll. Damit wird die Weiterentwicklung der Schweizer Landwirtschaft in Richtung mehr Nachhaltigkeit angestossen.

SWISSAID empfiehlt aus diesen Gründen, ein Ja in die Urne zu legen.

Ja zur Fair-Food-Initiative

Die Volksinitiative «Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative)» verlangt für den Import von Lebensmitteln klare ökologische und soziale Standards. Produkte aus naturnaher, bäuerlicher Landwirtschaft, fairem Handel sowie aus regionaler und saisonaler Produktion und Verarbeitung sollen einen Marktvorteil erhalten. Die Transparenz für Konsumenten und Konsumentinnen soll verbessert werden. Der Anteil der aus dem Ausland importierten Lebensmittel beträgt rund 50 Prozent. Dank einem neuen, WTO-konformem Zollsystem soll eine nachhaltige Produktion angestossen werden.

Ökologischer, mehr Klimaschutz, weniger Ausbeutung der Dritten Welt:

  • Die internationale Dimension des Schweizer Ernährungssystems wird als Türöffner für wichtige Veränderungen hin zu ökologisch und sozial nachhaltigen Produktions- und Konsumformen aufgenommen. Der 2014 von Bundesrat veröffentlichte Umweltbericht zeigt auf, dass die Schweizer Bevölkerung zunehmend «auf Umweltkosten anderer» lebt. 2011 fielen 73 Prozent der gesamten Umweltbelastung der Schweiz im Ausland an.
  • Mit der Initiative würden ökologische, regionale, saisonale und fair produzierte Lebensmittel auf dem Markt gefördert. Da rund 20 Prozent der Schweizer Lebensmittelimporte aus Schwellen- und Entwicklungsländern stammen, würden bei der Nahrungsmittelproduktion wichtige Impulse gegeben. Die Befähigung der ärmsten Länder, soziale und ökologische Standards zu erreichen, müsste seitens der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit speziell unterstützt werden.
  • Anstelle eines Wettbewerbs über die Menge bzw. den Preis von Lebensmitteln würde der Wettbewerb über die Qualität gefördert. Dies stärkt und fördert eine ökologischere Produktion und leistet damit einen Beitrag für den Klimaschutz.

Darum empfiehlt SWISSAID ein Ja zur Initiative.

Ja zur Initiative für Ernährungssouveränität

Die Volksinitiative «Für Ernährungssouveränität, die Landwirtschaft betrifft uns alle» will das Prinzip der Ernährungssouveränität in der Schweiz verankern. Konkret möchte sie eine vielfältige, bäuerliche und gentechfreie Landwirtschaft, welche die natürlichen Ressourcen, namentlich den Boden und das Saatgut, schützt, etablieren. Ausserdem sollen der Kulturlandschutz gestärkt, der Zugang zu Land, der Schutz von Landarbeiterinnen und Landarbeitern sowie faire Preise und damit ein gerechtes Einkommen für Produzentinnen und Angestellte durchgesetzt werden. Zudem würden die lokale Produktion und ein nachhaltiger Konsum gestärkt. Schliesslich soll ein gerechterer internationaler Handel durch regulierende Zölle an den Grenzen, durch das Recht, sich zu schützen und die Pflicht, auf Exportsubventionen zu verzichten, ermöglicht werden.

Gentechfrei, lokal, gegen Biopiraterie, für Klimaschutz

  • Bei einer Annahme würde die gentechfreie Landwirtschaft in der Schweiz auf Verfassungsstufe festgeschrieben und damit dem Willen der Konsumentinnen und Konsumenten nach einer gesunden und ökologischen Nahrungsmittelherstellung Rechnung getragen.
  • Eine auf lokale Märkte ausgerichtete, nachhaltige und saisonale Landwirtschaft lässt Kleinbäuerinnen und -bauern Raum für nachhaltige Entwicklung.
  • Die Streichung aller Exportsubventionen (Schoggigesetz, Butter, etc.) ist ein Beitrag gegen die Verzerrung von Märkten in Entwicklungsländern.
  • Bei einer Annahme würden die strengen geistigen Eigentumsrechte gelockert und damit Biopiraterie verhindert.
  • Die Ausrichtung auf umweltschonende Anbaumethoden reduziert Treibhausgas-Emissionen und leistet einen Beitrag zum Klimaschutz.

Aus diesen Gründen empfiehlt SWISSAID ein Ja.

Bild: CC BY-SA 2.0 Simon Koopmann